Haus des Blutes
Aufregung funkelten. »Aber ich kenne ihn, Chad.« Er lehnte sich über die Tischkante zu ihm. »Es gibt einige Dinge, die du wissen solltest, mein Freund. Du hast ja keine Ahnung, wie wichtig deine Rolle im großen Ganzen ist.«
Chad erschauderte bei den Worten des Sängers.
Er griff nach der Whiskeyflasche.
»Ich brauche das im Moment dringender als du«, verkündete er.
Er trank direkt aus der Flasche.
Und damit begann ein langer Morgen der Enthüllungen und des whiskeygeschwängerten Lamentierens.
Kapitel 24
Giselle bewegte sich langsam, aber sehr entschlossen in den Geheimgängen hinter den Wänden durch das Anwesen des Meisters. Die Zeit für den Aufstand Unten war beinahe gekommen, und sie wollte sich ein Bild von der zeitlichen Stabilität des Gebäudes verschaffen. Das Haus war mehr als nur eine Ansammlung von Steinen und Mörtel. Es existierte gleichzeitig auf und jenseits der physischen Ebene, ebenso wie der verdorbene Landstrich, der es umgab. Das ermöglichte die immense, eigentlich unmögliche Anzahl von Zimmern im oberen Stockwerk – ausreichend, um ein hochherrschaftliches Anwesen zu füllen. Mindestens ein paar Dutzend. Von außen sah das Gebäude jedoch aus, als würde höchstens ein Bruchteil der Zimmer darin Platz finden.
Diese ungeheuerliche Missachtung der Gesetze der Physik erlaubte darüber hinaus unterschiedliche Arten der Fortbewegung durch das Gebäude. Die dunklen Passagen hinter den Mauern waren nicht nur über konventionelle Ein- und Ausgänge zugänglich. Hier und da gab es außerdem Stellen, an denen man das Gewebe der Existenz auf bemerkenswerte Weise einer Veränderung unterzogen hatte: Portale, durch die sich all jene, die sie aufzuspüren in der Lage waren, innerhalb eines Dämonenherzschlags von einem Raum zum nächsten bewegen konnten.
Giselle schlüpfte durch ein Portal nach dem anderen und hielt in jedem neuen Abschnitt des Geheimgangs kurz inne, um seine Stabilität abzuschätzen. Sie legte dazu eine Hand auf die kalten Mauern, schloss die Augen und suchte mit ihrem einzigartig sensiblen Geist nach Anzeichen der Unbeständigkeit. Alles, was ihr auch nur ein wenig ungewöhnlich erschien, gab Anlass zur Besorgnis. Eine Störung des Energiefeldes konnte darauf hinweisen, dass der Meister über die bevorstehende Revolte Bescheid wusste – eine Entwicklung, die das Vorhaben zum Scheitern verurteilt hätte, noch bevor es richtig begann. Sie suchte nach irgendeinem subtilen Hinweis, dass etwas nicht stimmte, fand jedoch nichts.
Nur die übliche kalte Leere.
Sie gestattete sich ein Lächeln.
Wenn auch nur ein kleines.
Denn sie wusste, dass die Gefahr nach wie vor sehr groß war. Der Erfolg des Aufstands hing davon ab, dass der Meister nichts ahnte, bevor es zu spät für ihn war, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Damit es jedoch so weit kam, musste jedes Detail ihres von langer Hand vorbereiteten Plans mit äußerster Präzision ausgeführt werden. Und dazu gehörte auch ein perfektes Zusammenspiel sämtlicher Akteure und Ereignisse. Zumindest konnte sie sicher sein, dass Eddie sich zum entscheidenden Zeitpunkt am richtigen Ort aufhalten würde. Der Sexzauber hatte – selbstredend – Eddies Fähigkeit, ihr zu widerstehen, vollkommen ausgelöscht. Alles andere lag jedoch außerhalb ihrer Kontrolle, und das machte sie beinahe wahnsinnig.
Aber sie vertraute ihren Mitrevolutionären Unten.
Vor allem Lazarus.
Dem einzigen Mann, den sie je geliebt hatte.
Zugleich der einzige, den sie niemals erobern konnte.
Der Mann war für die Verbannten eine mythische Gestalt, die jahrelang für tot gehalten, aber niemals vergessen worden war. Dieser unglaubliche Mann wurde noch immer von Dämonen seiner fernen Vergangenheit heimgesucht und er besaß eine höchst irdische Vorliebe für Whiskey. Dennoch verfügte er über das erstaunliche Talent, bei klarem Verstand zu bleiben, ganz gleich, wie viel er trank. Er war ein Verfechter von Visionen und unumstößlichen Überzeugungen, und er hatte die Menschen Unten inspiriert. Sie waren in Scharen zu ihm geströmt, hatten lautstark gefordert, dass er zu ihnen sprach, und Hoffnung aus seinen Worten geschöpft.
Selbstverständlich war der Machtapparat schon bald eingeschritten, um ihn zum Schweigen zu bringen.
Man hatte einen Sklaven bestochen, der ihn umbringen sollte.
Es war bei einer der Versammlungen passiert.
Versammlungen waren die wöchentlichen Feste mit Musik und Tanz, an denen auch Sklaven teilnehmen durften. Riesige Spektakel
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