Haus des Blutes
weiß, dass du eine Menge zu tun hast, wenn du erst mal von hier weg bist. Dein Leben wieder in Ordnung zu bringen, wird ein hartes Stück Arbeit. Aber wenn du zwischendurch mal ein bisschen Zeit hast, würdest du mir dann die Ehre erweisen, mit mir zu Abend zu essen?«
Sie errötete leicht. »Wow … Weißt du, das ist das erste Mal, dass mich jemand gefragt hat, ob ich mit ihm ausgehen möchte, seit mein Mann mir einen Heiratsantrag gemacht hat.« Die Röte verschwand wieder aus ihrem Gesicht. »Dieser Mistkerl«.
Sie fing an zu weinen.
Chad streichelte über ihr Haar und sie ließ ihren Tränen freien Lauf. Er wollte, dass sie sich in seinen Armen sicher fühlte, wünschte sich, die beste Quelle für Trost zu sein, die sie sich vorstellen konnte. Ihm wurde bewusst, dass er im Begriff stand, sich unsterblich in sie zu verlieben, und einmal mehr fragte er sich, warum ihm das bei Dream nie gelungen war. Vielleicht hatte er ja genau das gebraucht – eine Krise, in der er sein Durchhaltevermögen und seine Überlebensfähigkeit unter Beweis stellen konnte. Einen Schock, der ihn von seiner Selbstsüchtigkeit und Gefühllosigkeit kurierte.
Er musste zugeben, dass es längst überfällig gewesen war.
Dream schien für ihn verloren. Er hatte sich alle Chancen verbaut, indem er sich jahrelang von ihr distanzierte. Und nun waren auch die letzten Überreste ihrer einst so besonderen Freundschaft zerstört, seiner Dummheit sei Dank. Eine solche Verschwendung. Und so unnötig. Aber es war nun einmal die Realität und er musste sie akzeptieren. Und daraus lernen. Er konnte nicht wissen, was die Zukunft für ihn bereithielt, aber er schwor sich, die Fehler seiner Vergangenheit mit Cindy nicht zu wiederholen.
Als ihre Tränen versiegt waren, küsste sie ihn erneut und flüsterte: »Ich danke dir, Chad.«
Er öffnete seinen Mund, um etwas zu sagen, aber sie brachte ihn mit einem »Pssst« zum Schweigen.
»Danke, dass ich mich dank dir wieder wie ein Mensch fühlen darf. Ich kann dir gar nicht sagen, wie viel mir das bedeutet.« Ihr Lächeln wirkte beinahe schüchtern. »Es ist ein kleines Wunder.«
Ihre Worte rührten ihn zu Tränen. »Cindy, ich …«
Er kam nie dazu, ihr zu sagen, was er sagen wollte.
Weil sie in diesem Moment die Tür eintraten.
Ein einziger kräftiger Tritt reichte aus, um sie aus ihren Angeln zu heben. Sie fiel mit einem lauten Knall zu Boden und wirbelte dabei eine dicke Staubwolke auf. Während Chad und Cindy keuchend versuchten, den Staub aus ihren Augen zu bekommen, stürmten mit Gewehren bewaffnete Wachen, die Helme mit heruntergeklappten Visieren trugen, durch die entstandene Öffnung.
Cindy wurde brutal aus Chads Armen gerissen und unter Schreien nach draußen gezerrt. Chad sah, wie ihr nackter Rücken durch die Tür verschwand, und sprang von der Matratze auf, aber der Kolben eines Gewehrs ging auf Tuchfühlung mit seinem Kiefer und schickte ihn mit voller Wucht rückwärts gegen die instabile Holzwand. Die Bretter bogen sich durch, hielten seinem Gewicht jedoch stand. Vor seinen Augen verschwamm alles, sein Kopf dröhnte vor Schmerzen, und er bekam kaum noch mit, wie der letzte bewaffnete Wachmann die Baracke eilig wieder verließ.
Blinde Wut überdeckte die Schmerzen. Was hier gerade passiert war, erschien mehr als falsch – fast wie eine Beleidigung der Natur. Diese verfluchten Schlägertypen waren in die Baracke gestürmt wie eine Truppe von Nazis, vollkommen unbeeindruckt von dem intimen Moment, den sie zerstörten. Chad wurde von all den Fragen in seinem Kopf ganz schwindelig: Hatte einer der Verschwörer sie verraten? Warum hatten sie nur Cindy mitgenommen? Bestand möglicherweise gar kein Zusammenhang zum geplanten Aufstand?
Fragen ohne Antworten.
Jedenfalls für den Moment.
Chad stemmte sich mit den Händen gegen die Wand, schüttelte den Kopf, um klar denken zu können, und versuchte, sich daran zu erinnern, wo Cindy die Waffe aufbewahrte, die sie ihm vor der gemeinsam verbrachten Nacht gezeigt hatte. Aber es war zwecklos. Gott, er konnte sich noch nicht einmal daran erinnern, was für eine Waffe es gewesen war. Dagegen schob sich die Erkenntnis in sein Bewusstsein, dass Cindys Überlebenschancen mit jeder Sekunde, die er untätig hier verharrte, schwanden. Er taumelte durch den Raum, stolperte die Stufe hinter der Tür hinunter und knallte auf dem harten Boden auf die Knie.
Die Wachen kämpften mit Cindy.
Sie war unglaublich. Sie hörte einfach niemals auf, sich zur Wehr
Weitere Kostenlose Bücher