Haus des Blutes
Sklaven bahnten, die ebenfalls in Richtung Marktplatz unterwegs waren. Er diente, wie man Chad erklärte, als eine Art Treffpunkt für diese bunt zusammengewürfelte Gemeinschaft.
Der Platz war kaum mehr als eine große Freifläche inmitten von Gebäuden. An einem Ende befand sich eine Plattform für Redner, dahinter ein großes Zelt. Chad stellte sich vor, wie Lazarus darin saß und in Erinnerungen schwelgte, wie es gewesen war, vor einem Konzertauftritt backstage auf den großen Auftritt zu warten.
Da er jedoch wusste, dass sich der Sänger nicht in diesem Zelt aufhielt, konnte er das Bild nicht festhalten. Der alte Mann hockte stattdessen in einer Privatwohnung in einem der Gebäude, die den Platz säumten. Man würde ihn direkt von dort zur Bühne eskortieren, wenn die Zeit für seinen Moment im Rampenlicht gekommen war.
In der Mitte des Marktplatzes stellte eine Grube die verkohlten Überreste der Lagerfeuer vergangener Versammlungen zur Schau. Chad sah Sklaven, die Karren mit frischem Holz in Richtung Grube schoben. Er fragte sich, wie viele von ihnen ebenfalls zu den Verschwörern gehörten – wenn überhaupt. Das brachte ihn dazu, das Gesicht jedes Einzelnen zu studieren, der ihm begegnete, und zu spekulieren, wer zu ihren Waffenbrüdern zählte und wer nicht.
Man hatte ihm erklärt, die allwöchentlichen Feste wären ein Sammelbecken maßloser, zügelloser Ausschweifungen. Er bemerkte zwar, dass sich etliche der Anwesenden bereits einen Drink genehmigten, aber wie die Vorstufe eines Saufgelages kam es ihm nicht vor. Eine Menge Leute hielten zwar Flaschen in der Hand, aber sie nippten nur daran. Als wäre ihnen bewusst, dass sie vorsichtig sein mussten, wie viel Alkohol sie konsumierten – ähnlich wie zum Fahren abgestellte Partybesucher, die sich bei einer ausgedehnten Kneipentour zurückhalten mussten.
Andererseits sah Chad vielleicht Sachen, die gar nicht da waren. Daran mochten auch die vielen Politthriller schuld sein, die er sich bereits im Kino gegönnt hatte. Jedenfalls gelangte er zu dem Schluss, dass selbst ein kleiner Anflug von Paranoia nicht ganz ungefährlich war.
Stell keine Vermutungen an, ermahnte er sich.
Halt dich an das, was du weißt.
Der Rest liegt ohnehin nicht in deinen Händen.
Sie kamen an der Grube vorbei und mischten sich unter eine stetig wachsende Menschenmenge, die auf das unmittelbar bevorstehende Ereignis wartete. Chad postierte sich mit Todd und Wanda an den Seiten der Plattform.
»Was passiert hier jetzt?«, fragte er.
Wanda stand mit verschränkten Armen da, den Blick von ihm abgewandt. »Normalerweise das, was man sich hier unter einer Varieté-Nummer vorstellt. Damit fängt es meistens an. Erst kommen ein paar Schauspieler auf die Bühne, wenn man sie so nennen kann – sie sind furchtbar schlecht. Sie machen sich in Sketchen, die so infantil sind, dass man meinen könnte, ein Fünfjähriger hätte sie geschrieben, über die hiesigen Machtstrukturen lustig. Kontrollierte Rebellion. Sichere Pseudoanarchie. Fügt sich perfekt in das Gesamtkonzept der Versammlungen als Betäubungsmittel für den Geist ein.
Irgendwann wird dann eine Handvoll der schwächsten, bedauernswertesten Typen hier unten zur öffentlichen Demütigung auf die Bühne gebracht. Dabei macht auch das Publikum mit, und eine Jury befindet über die besten Vorschläge aus der Menge, wie man die armen Teufel am schönsten demütigen kann. Es ist die ultimative Ironie. Sklaven, die schon seit Langem beiläufigem Sadismus ausgeliefert sind, werden ermutigt, sich einer Art kathartischer Erfahrung anzuschließen, indem sie andere Sklaven auf dieselbe Weise quälen.«
Chad verstand nun, warum Cindy sich diese Frau als Freundin ausgesucht hatte.
Sie war intelligent.
Er wandte sich an Todd: »Und ich dachte, du wärst das Genie.«
Der Junge grinste. »Das bin ich auch.« Er legte einen Arm um die Taille der Frau. »Ich hab einfach schon ein bisschen auf sie abgefärbt.«
Chad gaffte die beiden mit offenem Mund an.
Er konnte nicht anders.
Unten war grauenvoll und barbarisch; vermutlich der Ort auf Erden, welcher der Hölle am nächsten kam. Wo sonst hätte ein Dreikäsehoch wie Todd eine Chance, von einer sexy Frau wie der Wütenden Wanda flachgelegt zu werden?
Wanda schaute ihn an. Vielleicht ahnte sie, was ihm durch den Kopf ging. »Es tut mir leid, wenn ich ein wenig barsch dir gegenüber war, Chad. Ich habe Cindy geliebt, und …«
Sie musste den Satz nicht zu Ende sprechen. »Ich war bei
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