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Haus des Blutes

Haus des Blutes

Titel: Haus des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bryan Smith
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wusste, dass es an den Riemen befestigt war, die sich um seinen Kopf spannten, aber er konnte die wachsende Angst, er könne es hinunterschlucken, trotzdem nicht überwinden.
    Giselle saß an ihrem Schreibtisch über den Block mit dem Briefpapier gebeugt. Sie war nun schon bald eine Stunde lang damit beschäftigt. Die flinken Bewegungen des Federkiels in ihrer Hand wurden nur dann unterbrochen, wenn sie eine kurze Pause einlegte, um eine neue Seite aufzuschlagen.
    Eddie hatte nicht den Hauch einer Ahnung, was sie da eigentlich schrieb. Sie konnte unmöglich so viel Zeit brauchen, um zu Papier zu bringen, was sie ihm angetan hatte. Darüber gab es nicht allzu viel zu berichten. Er hatte sie völlig falsch eingeschätzt – was in Wahrheit eine Untertreibung von epischen Ausmaßen war. Sie demonstrierte ihre Dominanz über ihn mit einer geradezu beschämenden Leichtigkeit. Vielleicht schrieb sie ja tatsächlich etwas vollkommen anderes.
    Das lange Samtkleid umwehte nicht länger ihre grazilen Kurven. Sie war nackt, abgesehen von einem schwarzen Spitzenhöschen und hochhackigen Schuhen. Sie hatte ihre Beine an den Knien übereinandergeschlagen, und ihr freier Fuß wackelte wie der eines gelangweilten Teenagers in einer öden Mathestunde. Körperlich gesehen war sie natürlich auch noch ein junges Mädchen, eingefroren im Alter von 17 Jahren. Eddie, der bereits auf die 40 zuging, wusste jedoch, dass sie in Wahrheit über zehn Jahre älter war als er. Sein Verstand wusste all diese Dinge – aber ihr Körper verfügte noch immer über die knackige Frische der Jugend.
    Eine ewige Lolita.
    Sie legte die Spitze ihres Schreibwerkzeugs in einer nachdenklichen Pose ans Kinn. Die Stirn legte sich in Falten und das Wackeln ihres Fußes verlangsamte sich. Wunder über Wunder – der rasende Prosa-Express war zur Notbremsung gezwungen worden. Sie starrte eine Weile ins Leere und richtete ihren Blick dann wieder auf Eddie. Ihre nachdenkliche Miene verflog und wurde durch ein finsteres, laszives Grinsen ersetzt.
    Er erschauderte.
    Und dachte: Oh nein …
    Ein Geräusch, das beinahe wie ein widerliches Lachen klang, drang aus Giselles Mund. Sie hatte das Entsetzen in Eddies Augen erkannt und es erheiterte sie offensichtlich. Sie legte die Feder beiseite, riss ein Blatt Papier aus dem Block, stand auf und trat ans Bett.
    Eine dunkle, nicht zu leugnende Gewissheit überkam ihn.
    Ich hätte sie umbringen sollen, als ich noch die Gelegenheit dazu hatte.
    Er erinnerte sich daran, wie weich und geschmeidig sich ihr Fleisch unter dem Druck der Klinge angefühlt hatte. Dieses Fleisch zu durchtrennen, wäre kaum schwieriger gewesen, als einen Thanksgiving-Truthahn zu tranchieren. Der Gedanke stieß ihn ab – die Vorstellung, eine Frau zu ermorden –, aber nun fragte er sich, ob ihn seine tief verwurzelte Ritterlichkeit nicht doch verlassen würde, sollte sie noch einmal seiner Gnade ausgeliefert sein. Vielleicht würde dann alles ganz anders laufen.
    Er dachte noch einen Augenblick lang darüber nach.
    Auch über den Ballknebel in seinem Mund.
    Und strich das »vielleicht« aus seinen Überlegungen.
    Eddies Herz tat einen Satz, als sie sich über ihn beugte. Sie öffnete ihre Lippen und fuhr mit der Zunge ganz langsam über den Rand ihrer Zähne. Die Nasenlöcher blähten sich auf. Sie sah eher aus wie eine hungrige Löwin, nicht so banal wie eine Frau mit niederträchtigem Charakter. Sie fasste hinter seinen Kopf und öffnete die Schnallen, mit denen die Lederriemen daran befestigt waren. Eine absurde Welle der Dankbarkeit schwappte über Eddie hinweg. Er holte ein paarmal tief Luft, als er, Gott sei Dank!, wieder in der Lage war, richtig zu atmen. Mein Gott, er war beinahe bereit, sie allein aus diesem Grund für eine Heiligsprechung vorzuschlagen.
    Giselle zeigte ihm den Zettel, den sie vom Block abgerissen hatte.
    Sein Herz stockte einen Augenblick lang, als er die Worte las, die sie aufgeschrieben hatte.
    ICH KENNE DICH BESSER, ALS DU DICH SELBST KENNST, stand dort.
    Eddies Puls begann zu rasen.
    DAS IST ES DOCH, WAS DU IMMER GEWOLLT HAST.
    Sie legte das Blatt beiseite.
    »Nein«, keuchte er – und hörte selbst, dass es seiner Stimme an Überzeugungskraft fehlte.
    Sie lächelte.
    Und tätschelte seine Wange.
    Dann kletterte sie aufs Bett, stellte sich ganz vorsichtig hin und starrte auf Eddie hinunter.
    Bitte nicht, dachte er verzweifelt.
    Nicht schon wieder.
    Sein Blick wanderte von dem seltsam mitfühlenden Ausdruck auf ihrem

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