Haus des Blutes
erstickter Stimme: »Verbannt? Von wo denn verbannt?«
»Von Oben. «
Chad grunzte. »Oh, danke. Jetzt ist natürlich alles sonnenklar.«
Sie ignorierte seinen Sarkasmus. »Wir verschwinden von hier. Du und ich. Siehst du dieses tote Arschloch da auf dem Boden?«
Das besagte tote Arschloch zuckte spasmisch, während Hirnmasse aus seinem Schädel auf den Boden quoll.
»Wie könnte ich den wohl übersehen, Sheena?«
Sie lächelte, und ihre grünen Augen blitzten böse auf. »Du glaubst doch nicht etwa, dass sein Auftauchen nach all diesen Jahren bloß ein Zufall war, oder?«
Chad schüttelte müde den Kopf. »Ich schätze nicht.«
»Verdammt richtig.« Sie blickte auf die dampfende Leiche hinunter und ihr Lächeln erstarb. »Das war eine Gefälligkeit für mich.« Ihr Blick wanderte wieder zu ihm zurück, und in ihren Augen lag etwas so Gespenstisches, dass Chad gegen den Drang ankämpfen musste, seinen Blick von ihr abzukehren. »Ein Zeichen der Dankbarkeit dafür, dass ich eingewilligt habe, hierzubleiben. Arrangiert von unserem Gönner dort Oben. «
Chad kaute auf seiner Unterlippe herum. Irgendetwas an der ganzen Geschichte störte ihn. »Du deutest immer wieder eine mysteriöse Vereinbarung an. Eine Verschwörung. Aber ich verstehe das alles nicht. Was willst du denn eigentlich erreichen?« Er warf einen Blick auf die Leiche. »Außer Rache, meine ich.«
»Erreichen?« Aber es war eine rein rhetorische Frage. »Eine Revolution. Den Sturz des Meisters.«
Chad legte seine Stirn in Falten. »Was für ein Meister?« Er schüttelte verblüfft den Kopf. »Oben, Unten, der Meister … das sagt mir alles überhaupt nichts. Was …«
Sie brachte ihn erneut mit einem Zischen zum Schweigen. »Halt den Mund und hör zu. Ich werde dir alles sagen, was du wissen musst.«
Chad dachte darüber nach. Die Tatsache, dass sie sich ihm gegenüber mit einem Mal so öffnete, beunruhigte ihn. Weshalb, konnte er jedoch nicht genau sagen. »Warum?«
Sie lächelte, ein leises Lächeln, das einzig ihre Mundwinkel umspielte. »Kannst du dir das denn nicht denken?«
Ein eiskalter Finger der Angst kroch Chads Wirbelsäule hinauf. »Äh …«
»Du kommst mit mir nach Unten. «
Chad wurde ganz flau im Magen.
»Ich glaube, es ist Zeit, dass wir uns einander richtig vorstellen. Mein Name ist Cindy.«
Sie streckte ihre Hand aus.
Chad nahm sie und schüttelte sie wie betäubt. »Chad.«
Sie drückte ihm die Hand. »Willkommen bei der Revolution, Chad.« Aus ihren Augen und ihrer Stimme sprach eine unglaubliche Intensität, eine unterdrückte Aufregung. »Wir haben schon auf dich gewartet.«
Chad fühlte sich einer Ohnmacht nahe.
Kapitel 11
Der Meister erwachte aus einem Zustand tiefster Ruhe. Er hatte nicht geschlafen, war aber auch nicht bei vollem Bewusstsein gewesen. Der Zustand glich vielmehr einer tiefen inneren Einkehr, einer Phase der intensiven Introspektion, die seine ohnehin extrem wachen Sinne zusätzlich schärfte und seine Begierden neu entfachte. In gewisser Hinsicht glich dieser Zustand dem Schlaf der Menschen und niederen Tiere. Mit dem Unterschied, dass der Meister seine Umgebung zu jeder Zeit wahrnahm – wenn auch nur in der flüchtigen Art und Weise, in der ein Betrachter Details im Hintergrund eines Gemäldes oder einer Filmszene bemerkt – und die Fähigkeit besaß, sofort sein volles Bewusstsein zurückzuerlangen, sollte die Situation das notwendig machen.
Dies war eine solche Situation.
In seinem Haus war es am heutigen Abend ungewöhnlich rege zugegangen. Da war zum einen das Problem mit dem Ausreißer von Unten, einem armen Narren, der vermutlich tatsächlich glaubte, er sei seinen Verfolgern entkommen. Das war mitnichten der Fall. Der Meister wusste, dass der Mann sich in einem der Zimmer im oberen Stockwerk aufhielt. Er wusste sogar, in welchem Zimmer. Er lächelte, als er an das böse kleine Mädchen ohne Stimme dachte.
Seine gewandteste und talentierteste Schülerin.
Er war damit einverstanden, dass sie ein wenig Spaß mit ihm hatte.
Der Mann war ein Nichts.
Weniger als ein Nichts.
Genau wie der erste Neuankömmling in dieser Nacht, Mark Cody, den er allein deshalb aus dem Leben geholt hatte, weil er ein völliger Dummkopf war. Der Meister bevorzugte lebhafte Foltersitzungen mit interessanten, intelligenten Menschen. Nichts war stimulierender, als einen ganzen Abend lang klugen Menschen zuzuhören, die zwischen den Phasen intensiver Qual versuchten, ihm Erbarmen abzutrotzen.
Auch in
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