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Haus des Glücks

Haus des Glücks

Titel: Haus des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Winkler
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Schreibtisch, eher eine Tischplatte mit Beinen, ein Stuhl dahinter, zwei Stühle davor, ein Schrank voller Akten an der einen Wand, an der anderen ein großes schwarzes Holzkreuz, ein Fenster. Das war alles.
    »Ich danke Ihnen, dass Sie die Zeit gefunden haben, herzukommen, Herr Doktor Bülau«, sagte Schwester Innozentia und nahm auf dem ungepolsterten Stuhl hinter dem Schreibtisch Platz. »Bitte setzen Sie sich doch.«
    »Ihre Nachricht klang dringlich«, erwiderte er und versuchte vergeblich, eine angenehme Sitzposition zu finden. Der Stuhl erwies sich als genauso unbequem, wie er aussah. Katholiken hatten angeblich eine Neigung zur Selbstkasteiung – das erzählte man sich zumindest in protestantischen Kreisen. Offenbar war an diesem Gerede etwas Wahres. »Deshalb habe ich für heute die Nachmittagssprechstunde verlegt.«
    »Dafür danke ich Ihnen. Ich weiß, Ihre Zeit ist kostbar, Herr Doktor, also werde ich mich nicht lange mit Förmlichkeiten aufhalten. Es geht um Ihre Tochter Victoria. Sie hat mich gestern um die Aufnahme in den Orden gebeten.«
    Gotthard war wie erstarrt. Seine Finger, seine Füße, sein ganzer Körper fühlte sich plötzlich taub an. Sein Entsetzen musste deutlich auf seinem Gesicht gestanden haben, denn Schwester Innozentia fuhr fort: »Ich habe mir gedacht, dass dieser Wunsch Sie etwas überraschen wird.«
    Gotthard schluckte. Vergeblich, seine Kehle war wie ausgedörrt.
»Ich bin sicher, dass der Drill und der Umgang mit den Nonnen im Marienkrankenhaus sie schon bald zur Vernunft bringen werden.«
Mit diesen Worten hatte er Klara vor einem halben Jahr getröstet. Und er selbst war davon überzeugt gewesen. Niemals wäre er auf eine solche Idee gekommen! Er sah die junge Frau vor sich, die ihn angemeldet hatte, die weiße Haube, die ihr Haar verdeckte, das schlichte weiße Kleid, das Holzkreuz um den Hals. Sollte Victoria, seine kleine Victoria, auch bald so aussehen? Sollte er sie irgendwann mit
Schwester Sebalde
oder
Cäcilia
anreden müssen? Der Kragen wurde ihm zu eng, er versuchte etwas zu sagen, räusperte sich, brachte aber keinen Ton heraus.
    Schwester Innozentia ging auf den Flur hinaus und kam mit Glas und Krug zurück. Gierig trank er, während sie geduldig wartete.
    »Nein«, sagte er schließlich und schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht glauben. Wie kommt sie auf so einen aberwitzigen Gedanken? Das ist doch Wahnsinn!«
    Die Nonne lächelte milde. »So manch einer findet in dem, was Sie als
Wahnsinn
zu bezeichnen belieben, seine Erfüllung, Herr Doktor Bülau«, sagte sie sanft. »Auch ich habe mein Leben voll und ganz in den Dienst Jesu und seiner Kirche gestellt.«
    »Ich meine«, stammelte er und spürte, dass er rot wurde. »Natürlich ist es höchst ehrenwert, in einen Orden einzutreten. Aber Victoria? Warum …«
    »Warum ausgerechnet Ihre Tochter? Sie wären nicht der Erste, der sich diese Frage stellt, Herr Doktor.«
    »Aber Victoria ist doch nicht einmal katholisch! Maria, die Heiligen, die Gebete, das alles ist ihr völlig fremd!«
    Schwester Innozentia schüttelte leicht den Kopf. »Da muss ich Ihnen widersprechen, Herr Doktor Bülau. Seit sie hier ist, hat Victoria an zahlreichen Messen und regelmäßig am Stundengebet teilgenommen«, sagte sie. »Freiwillig, wohlgemerkt. Und ich habe stets den Eindruck gewonnen, dass sie auch mit ihrer Seele dabei war. Außerdem ist die Konvertierung zum katholischen Glauben das geringste Problem, das sich ihr auf dem Weg in den Orden stellt.«
    Ihre sanfte Stimme und ihr nachsichtiges Lächeln machten Gotthard wütend.
Seine Tochter würde er ihr und ihrem Orden nicht ohne weiteres überlassen, ganz egal, welche Pläne sie bereits für Victoria haben mochten. Was glaubte diese Nonne eigentlich?
    »Wenn Sie der Meinung sind, Schwester«, sagte er und schaffte es mit Mühe, seine Stimme im Zaum und sich selbst auf dem Stuhl zu halten. Man sollte ihm nicht nachsagen können, dass er einer Nonne gegenüber ausfallend geworden war. Wenigstens das nicht! »Wenn Sie glauben, dass ich tatenlos zusehen werde, wie Victoria diese Dummheit begeht, so haben Sie sich getäuscht! Ich weiß nicht, wie Sie meine Tochter zu diesem Sinneswandel bewegt haben, aber Sie können sich dessen gewiss sein, dass ich ihr ernsthaft ins Gewissen reden werde.«
    Ihr Lächeln vertiefte sich, wurde nachsichtiger, und das machte Gotthard nervös.
Warum lächelte diese Frau immerzu? Glaubte sie etwa tatsächlich, er würde ihr seine Tochter kampflos

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