Haus des Glücks
Kopf. »Sag so etwas nicht! Wir werden alles tun, um das Schlimmste zu verhindern. Du darfst und du wirst nicht ins Gefängnis gehen. Was sagt dein Vater zu der Angelegenheit?«
»Auch er ist wie vor den Kopf geschlagen. Er hat wohl mit Härte gerechnet, jedoch nicht mit solch einer Unnachgiebigkeit. Er zerbricht sich bereits den Kopf, welche Mittel uns zur Verfügung stehen, um gegen diese Forderungen anzugehen.«
»Hast du schon mit eurem Anwalt gesprochen?«
»Mein Vater. Aber es gibt keine Hoffnung. Meine Geldgeber stammen aus Englands Oberschicht. Gegen ihren Einfluss kann er nichts tun. Dass ich mich ausgerechnet auf einen Handel mit diesen Männern eingelassen habe, war ein Fehler, dessen Folgen mich vermutlich bis an das Ende meiner Tage heimsuchen werden.« Er seufzte. »Ich dachte, es sei schon Strafe genug, dass wir zukünftig ein einfaches Leben in bescheidenen Verhältnissen führen müssen. Aber das Schicksal will mir offensichtlich meinen Irrtum nachweisen.«
Victoria strich ihm über die bleichen Wangen. Wie schmal sein Gesicht in den wenigen Wochen geworden war! »Lass den Kopf nicht hängen, John. Ich bin fest davon überzeugt, dass es einen Ausweg gibt. Wir haben ihn nur noch nicht gefunden.«
Er lächelte gequält. »Ich wüsste einen.«
»John!« Victoria fuhr entsetzt auf. »Du wolltest nicht einmal mehr daran denken. Du hast es mir versprochen!«
»Ich weiß«, sagte er und fuhr sich nervös durch das braune Haar, so dass es nach allen Seiten abstand. »Aber ich gehe nicht ins Gefängnis. Ganz gewiss nicht.«
Victoria presste die Lippen aufeinander. Ihr war zum Heulen zumute. Sie war so verzweifelt, wie sie es sich nie hatte vorstellen können. »Weißt du noch, wie du an jenem Abend, als das Telegramm kam, sagtest, du müsstest dich im Dschungel verstecken, wenn deine Geldgeber unnachgiebig sind?« Wie lange war das jetzt her? Kaum drei Wochen. Und doch kam es ihr vor, als wären seither Jahre vergangen. Der Schatten, den diese Tragödie auf ihr Leben warf, war dunkel. Und lang. Ob er sie jemals verlassen würde?
Herr, hilf uns, ich flehe dich an!
»Und du hast erwidert, dass ich nur mit dir gehen dürfe.« John lächelte traurig. »Du meinst, ich soll in den Dschungel gehen?«
»Warum nicht. Du könntest doch das Kontor deines Vaters in Indien übernehmen. Sagte er nicht gerade vor ein paar Wochen, dass er dort einen Mann seines Vertrauens brauche, weil andere Geschäftsleute versuchten, ihn aus dem Teehandel zu verdrängen?«
»Und von welchen Kaufleuten sprach er wohl?« John schüttelte den Kopf. Seine Hoffnungslosigkeit zu sehen tat körperlich weh. »Meine Geldgeber sind überaus wohlhabende Engländer. Sie haben Macht, viel Macht. Und sie haben Verbindungen, die bis ins Königshaus reichen. Ihnen und ihren Freunden gehört halb Indien, und dadurch kontrollieren sie den Großteil des Teehandels in der Welt. Der Ort, an dem ich mich vor ihnen verstecken könnte, muss schon sehr weit weg sein. Am besten am anderen Ende der Welt. Dazu wäre es erforderlich, dass die britische Krone dort keinen Einfluss hat.«
»Am anderen Ende der Welt?«, fragte Victoria. Aus dem Dunkel ihrer Verzweiflung war plötzlich eine Idee aufgetaucht, wie das erste Licht der Morgendämmerung. »Wie zum Beispiel die Südsee? Wie zum Beispiel Samoa?«
»Das wäre unter Umständen weit genug entfernt.«
»Dann sollten wir dort hingehen«, sagte sie entschlossen. »Und zwar bald. Am besten mit dem nächsten Schiff.«
»Meine liebe Frau«, erwiderte John sanft. »Ich fürchte, der Schock hat dir zugesetzt. Ruhe dich ein wenig aus.«
»Schock? Natürlich war es anfangs ein Schock. Man hört schließlich nicht gern, dass dem geliebten Mann das Zuchthaus droht. Aber jetzt bin ich gefasst. Und ehe du nachfragst – nein, ich habe nicht den Verstand verloren. Ich bin der Ansicht, selten so vernünftig gewesen zu sein wie gerade in diesem Augenblick. Glaube mir, Samoa ist die Lösung. Ich werde mit meinem Onkel sprechen, dem Bruder meiner Mutter. Wie du weißt, ist er Händler.«
»Er handelt mit irgendetwas Exotischem. Zuckerrohr?«
»Nein. Kopra. Er hat Handelsbeziehungen mit Freunden, die auf verschiedenen Inseln in der Südsee Plantagen besitzen. Und ich weiß zufällig, dass er schon seit einiger Zeit plant, dort selbst eine Niederlassung seiner Firma zu gründen, um die Handelswege zu beschleunigen und zu optimieren. Allerdings wollte meine Tante bisher nicht an Auswanderung denken, denn ihre Kinder
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