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Haus des Todes

Haus des Todes

Titel: Haus des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Cleave
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befindet sich ein Kiosk. Dort fährt er jetzt hin und hält davor. Er schließt den Wagen ab, rennt hinein, kauft eine kleine Tüte Orangensaft und läuft wieder nach draußen, während er dem Besitzer sagt, er könne das Kleingeld behalten. Er steckt den Strohhalm in die Tüte und reicht sie Octavia, die bei ihrem Anblick sofort aufhört zu schreien und ein schmatzendes Geräusch von sich gibt, bevor sie an dem Strohhalm zu nuckeln beginnt.
    »Gut?«, fragt er.
    Sie antwortet nicht und starrt ihn an, während sie trinkt. Ihre Wimpern sind verklebt und sehen aus wie die Anhängsel eines Seesterns.
    Caleb lässt den Wagen an. Katy bewegt sich inzwischen ein wenig mehr. Der Arzt wird ebenfalls bald wach werden. Caleb kann so nicht weiterfahren. Er muss eine Entscheidung treffen und ein Versteck finden. Einen Ort, an dem die Polizei nicht suchen wird, das heißt einen Ort, der keinerlei Bedeutung für ihn hat. Einen verlassenen Ort. Wo er ein wenig schlafen und seine Batterien wieder aufladen kann und wo er sich überlegen kann, wie
er Mrs. Whitby und den Richter doch noch drankriegen kann. Es muss in Christchurch jede Menge verlassener Orte geben. Es gibt hier stillgelegte Industrieanlagen, von Firmen, die pleitegegangen sind. Und in jedem Viertel leer stehende Häuser, deren Bewohner ihre Siebensachen gepackt und sich aus dem Staub gemacht haben. Er kann nicht einfach neben einem Park halten und in seinem Wagen schlafen.
    Er kommt an einem Spirituosenladen vorbei, in dem er manchmal nach der Arbeit eine Flasche Wein für sich und Lara zum Abendessen gekauft hat. Er drosselt das Tempo und versucht, sich zu erinnern, wann er das letzte Mal hier war, aber er weiß es nicht mehr genau, er weiß nur noch, dass er immer mal wieder im Laden vorbeigeschaut hat. Warum sollte er sich auch an Einzelheiten erinnern? Es ist bloß ein Spirituosenladen. Er hat fünfzehn Jahre lang nicht daran gedacht. Vor dem Geschäft parken vier Autos. Er fährt daran vorbei, tritt auf die Bremse, macht einen U-Turn und hält am Straßenrand. Sämtliche Autos sind leer, die Leute sind alle im Laden. Caleb nimmt das Messer, steigt aus dem Wagen und rennt zu dem Fahrzeug hinüber, das ihm am nächsten steht, ein violettes Auto mit Neonlichtern und einer Beule in der Beifahrertür. Er geht in die Hocke und sticht mit dem Messer in den Hinterreifen, krabbelt ein Stück vor und sticht dann in den Vorderreifen. Die andere Seite spart er sich, aber er will noch das Wort Arschloch in die Motorhaube ritzen. Es geht schwerer als gedacht  – er kriegt die Bogen im S nicht hin, nicht mit seinen kaputten Händen,
sodass es aussieht wie ein spiegelverkehrtes Z . Als er nach der Hälfte des C s bemerkt, dass mehrere Leute im Begriff sind, das Geschäft zu verlassen, gibt er es auf.
    Er fährt weiter. Und so langsam dämmert ihm, dass seine Route gar nicht so zufällig ist wie zunächst angenommen. Denn er kannte den Kiosk. Er hat sich an den Spirituosenladen erinnert. Und jetzt steuert er das Haus an, in dem er gewohnt hat, als alles noch so war, wie es sein sollte. Es wurde verkauft, kurz nachdem er in den Bau gewandert war. Von dem Geld hat er nicht einen Cent gesehen. Davon musste die Hypothek bezahlt werden, und was übrig blieb, ging für die Beerdigungskosten und die Anwaltshonorare drauf. Am Schluss stand er mit leeren Händen da. Sämtliche Möbel wurden verkauft, seine Kleidung und all seine Habseligkeiten verscherbelt oder entsorgt. Damals war ihm das egal. Es war nur irgendwelcher Krempel. Seine Familie war tot, warum sollte er sich darüber Gedanken machen, dass sein Fernseher oder sein Lieblingssofa ein neues Zuhause fanden?
    Langsam schiebt sich das Haus, das einmal ihm gehört hat, ins Blickfeld. Als er es das letzte Mal gesehen hat, saß er auf der Rückbank eines Polizeiwagens. Seine Hände waren auf den Rücken gefesselt, seine Haare waren noch nass von der Dusche, und unter seinen Fingernägeln klebte Blut. Er dachte, dass er bald wieder zurückkehren würde  – denn er wusste nicht, dass der Polizeibeamte, den er verletzt hatte, gestorben war.
    Der Polizeibeamte. In den ersten paar Jahren musste er unablässig an ihn denken. Manchmal hat er nachts aufgeschrien,
ein andermal wachte er schweißgebadet auf und erbrach sich auf den Zellenboden. Als er im Knast Zugang zum Internet hatte, saß er vor dem Computer, die Finger auf der Tastatur, kurz davor, den Namen des Cops einzutippen, doch er hat es nie getan. Er wollte nicht wissen, ob er

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