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Haus des Todes

Haus des Todes

Titel: Haus des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Cleave
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zu Hilfe. Keiner zeigte sonderlich viel Mitgefühl. So als würden sie alle bei einem Fußballspiel zuschauen, dessen Ausgang sie nicht interessierte. Als die Wärter dazukamen, hatte der Typ aufgehört, sich zu bewegen. Sie hoben ihn auf und eilten mit ihm zur Krankenstation. Danach hat Caleb ihn nie wiedergesehen, und niemand verlor groß ein Wort darüber. Keiner hatte ihn richtig gekannt, und auch sein Tod änderte daran nichts.
    Während Caleb das Blut auf dem Boden sah und die Todeszuckungen dieses Mannes, akzeptierte er zum ersten Mal, dass er nichts fühlte, wenn er einem anderen Menschen beim Sterben zuschaute. Als er James Whitby tötete, hatte er allerdings schon etwas gefühlt. Wut und Erleichterung, Abscheu und Euphorie und blanken Hass, ja, er hatte das Gefühl, er könnte die ganze Welt ermorden.
    Beim Anblick des Häftlings hatte er nichts gespürt.
Das war eine feine Sache. Etwas, das er sich zunutze machen konnte. Das er brauchen würde, wenn man ihn aus dem Gefängnis entließ, und es hat sich tatsächlich als nützlich erwiesen.
    Doch jetzt gerade verspürt er Wut. Weder den Richter noch die Mutter, dieses Miststück, kann er sich vornehmen, und erneut stürzen seine Gefühle auf ihn ein. Er weiß nicht, wo er hinfahren soll. Seit er beobachtet hat, wie der Pizzabote überwältigt wurde, ist er eine Stunde lang ziellos umhergegurkt und hat eine weitere Stunde am Strand geparkt, dort, wo er früher mal gewohnt hat, als er seine Frau kennenlernte. Jetzt fährt er wieder ziellos durch die Gegend und hört die Nachrichten. Die Reporter bezeichnen ihn inzwischen nicht mehr als Sensenmann, sondern benutzen seinen richtigen Namen. Sie fordern die Leute auf, nach Caleb Cole Ausschau zu halten, er sei gefährlich und wahrscheinlich bewaffnet, wer ihn sehe, solle die Polizei verständigen.
    Octavia Obsolet schläft, und während sie atmet, bläht sich an ihrem linken Nasenloch ein Rotzbläschen und zieht sich wieder zusammen. Kätzchen Katy schläft ebenfalls.
    Caleb steht an einer roten Ampel, den Fuß aufs Bremspedal gedrückt. Er lauscht Octavias Atem und wartet darauf, dass das Bläschen unter ihrer Nase platzt, als neben ihm ein violetter Wagen mit Neonlichtern und einer Beule in der Beifahrertür zum Stehen kommt. Von der Musik ist lediglich der wummernde Bass zu hören, und die beiden Jungs vorn können kaum älter als sechzehn sein. Sie
schauen zu ihm herüber. Der Beifahrer zieht die Augenbrauen hoch und nickt ihm einmal heftig zu, erst geht sein Kopf nach oben und dann nach unten, während er die ganze Zeit die Augen auf Caleb gerichtet hat. Der Fahrer lässt den Motor so laut aufheulen, dass Calebs Wagen erzittert und Octavia aufwacht und zu schreien beginnt. Der Fahrer lässt den Motor noch viermal aufheulen, bevor die Ampel grün wird und sie losfahren, worauf sich der Beifahrer aus dem Fenster lehnt und »Arschloch!« brüllt.
    »Alles in Ordnung«, sagt Caleb zu Octavia, doch sie schreit jetzt aus vollem Hals, und ihr Gesicht läuft rot an; und es scheint, als würde ihr genauso schnell die Puste ausgehen wie diesem Land die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Auf der Rückbank murmelt Katy etwas vor sich hin; die Wirkung des Betäubungsmittels lässt nach.
    Caleb fährt über die Ampel und dann rechts ran. Er weiß, was in dieser Situation helfen könnte. Er öffnet ein weiteres Glas Babynahrung und hält Octavia einen Löffel davon hin, und während sie weiterschreit, schafft sie es irgendwie, ihn in ihren Mund zu befördern und das Essen runterzuschlucken. Nicht lange, und er wird es mit einem dicken Baby zu tun haben. Wenigstens hat sie heute noch nicht in die Windel gekackt. Als das Gläschen leer ist, fällt ihm ein, dass er Octavias Plastikbecher im Schlachthof zurückgelassen hat. Er hat jetzt nichts mehr, was er ihr noch geben kann, und zwei Sekunden später ist Octavia das ebenfalls klar, und sie schreit noch lauter. Caleb wirft einen Blick auf den Rücksitz, doch da ist nichts,
dann schaut er im Handschuhfach nach. Dort liegt eine kleine halb volle Wasserflasche. Er schraubt den Deckel ab und schnuppert daran  – das Wasser riecht okay, es kann höchstens ein paar Tage alt sein. Oder ein Jahr. Er wirft die Flasche wieder zurück. Octavia strampelt mit den Armen und schaukelt sich immer weiter hoch.
    Caleb lässt den Wagen an. Wie damals bei Jessica hat das Motorengeräusch eine beruhigende Wirkung auf das Baby. Er kennt sich hier in der Gegend aus. Ein paar Blocks von hier

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