Haus des Todes
beruhigenden Tonfall, der sich warm auf seiner Haut anfühlt, und er stellt sich vor, dass sie so mit den Menschen redet, denen sie hilft. »Bitte, Caleb, lass uns mir und Jessica zuliebe dafür sorgen, dass keine weiteren Kinder verletzt werden.«
Er nickt. Verletzte Kinder sind das Letzte, was er will. »Wann kommt Wendy nach Hause?«, fragt er.
»Bald.«
»Wie bald?«
»Jede Minute.«
Er löst sich von ihr und schiebt sie an den Schultern von sich. »Du lügst«, sagt er. »Bitte, sag mir die Wahrheit.«
»Sie ist zu Besuch bei ihren Eltern. Sie ist in Auckland. Ich werde sie morgen Abend vom Flughafen abholen.«
»In diesem Fall hat sich mein Plan gerade geändert«, sagt er, packt sie am Arm und bringt sie ins Schlafzimmer.
Kapitel 41
Schroder ruft mich an, während ich vom Haus der Chancellors zu meinem Wagen gehe. Er teilt mir mit, dass sie Caleb Cole immer noch nicht verhaftet haben. Damit hatte ich eigentlich auch nicht gerechnet. Und er sagt, es
gebe immer noch kein Lebenszeichen von Ariel Chancellor. Das wundert mich genauso wenig. Er erzählt mir nichts, was ich nicht schon wusste, als ich vorhin das Revier verlassen habe.
»Ständig rufen uns dieselben bescheuerten Hellseher an, weil sie mit uns sprechen wollen. Hast du irgendwas rausgefunden?«, fragt er. Er klingt verzweifelt, allerdings nicht verzweifelt genug, um die Hellseher zurückzurufen. Vor einem Tag war ich nur jemand, der einen betrunkenen Detective zu einem Tatort gefahren hat. Heute erhofft er sich Antworten von mir.
»Ich habe rausgefunden, dass Hundebisse höllisch wehtun«, sage ich und berichte ihm dann von den Briefen. »Vielleicht ergibt sich daraus eine Spur. Ich bin gleich bei dir«, sage ich und steige in meinen Wagen.
Ich verzichte darauf, die Briefe durchzusehen, die ich mir vorhin vorm Haus der Chancellors nicht angeschaut habe. Ich lege sie beiseite, außer den Umschlag, den Harvey mir nachträglich gegeben hat. Ich öffne ihn und ziehe den Brief heraus, in der Hoffnung, dass sein Inhalt dazu beiträgt, diesen Wahnsinn zu beenden.
Liebe Ariel,
ich weiß, es ist schon etwas länger her, seit ich Dir das letzte Mal geschrieben habe, und mir ist klar, wie Du über mich denken musst. Zunächst möchte ich mich bei Dir entschuldigen. Ich habe Dir in den letzten Jahren einige ziemlich gemeine Briefe geschrieben, aber jetzt habe ich mich wieder im Griff. Ich habe einige Dinge für
mich verarbeitet, und mir ist klar geworden, dass nichts von alldem Deine Schuld war. Zu keiner Zeit. Ich habe ein wirklich schlechtes Gewissen, weil ich Dir die Schuld gegeben habe, obwohl doch andere dafür verantwortlich sind. Ich wünsche Dir für Deine Zukunft alles Gute. Ich bitte Dich, vergiss Jessica nicht und bewahre ihr ein ehrendes Andenken, indem Du ein möglichst guter Mensch wirst. Du bist wie eine Tochter für mich, ein Tochterersatz vielleicht, ich weiß es nicht, aber ich liebe Dich von ganzem Herzen und wünsche Dir alles Gute.
Das Leben im Knast ist hart. Bedaure ich deswegen, was ich getan habe? Nein, natürlich nicht. Ich habe noch sieben Jahre abzusitzen, aber da draußen gibt es sechzehn-, siebzehn-, achtzehnjährige Mädchen, die jetzt tot wären, wenn ich mich nicht um James Whitby gekümmert hätte. Gut möglich, dass Du eines von ihnen bist. Whitby war besessen von Dir, und wer weiß, was er angestellt hätte? Nach zwei weiteren Jahren in Dr. Stantons Klinik wäre er als »geheilt« und lebenstauglich entlassen worden und hätte ungestört weiter seiner Obsession frönen dürfen – selbst dann noch, wenn man ihn zu einer Haftstrafe verurteilt hätte. Womöglich hätte man ihn wieder in Deinem Viertel untergebracht, und was dann? Es gibt schon das eine oder andere, was ich bereue. Ich hätte ihm am Tag seiner Entlassung auflauern, ihn töten und seine Leiche verschwinden lassen können. Ich hätte versuchen können, ungestraft davonzukommen, aber es ist nun mal anders gelaufen. Außerdem informieren die Gefängnisse und Krankenhäuser die Öffentlichkeit nicht
darüber, wann genau die Insassen entlassen oder wo sie untergebracht werden. Darauf baue ich ebenfalls, wenn ich selbst wieder auf freien Fuß komme.
Heute hat mich ein Mädchen besucht. Sie war mal genauso wie Du. Wunderschön, intelligent, mitfühlend. Zwei Jahre bevor Whitby Jessica getötet hat, hat er dasselbe bei ihr versucht. Deswegen hätte er eigentlich in den Knast wandern müssen, aber das ist nicht passiert. James Whitby hat sie verletzt, wie
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