Haus des Todes
die aufmunternden Worte, die er an die drei richtet, werden von ihrer Schulter gedämpft. Melanie tritt zurück, und Katy trägt Octavia zu ihm hinüber, sodass sich die beiden ebenfalls umarmen können. Obwohl es so ein rührender Moment ist, spielt Caleb verschiedene Szenarien durch, und immer ist das Messer, dem noch jede Menge Blut gebührt, mit von der Partie. Zum Glück hat Katy mittlerweile aufgehört zu singen. Sowohl Melanie als auch der Arzt versuchen, Stärke zu demonstrieren, was beiden jedoch misslingt. Katy ist die Einzige, die offen ihre Gefühle zeigt. Und Octavia ist zu jung, um irgendwelche Gefühle zu haben, außer Ich bin glücklich oder Ich hab mir in die Hose gemacht .
»Ich hab Angst«, sagt Katy.
»Alles in Ordnung, Schätzchen, glaub mir«, sagt der Arzt und muss husten. »Uns wird nichts passieren.«
Caleb sagt nichts. Sie können glauben, was sie wollen – schon bald wird er sie eines Besseren belehren.
Der Vater schaut an seinen Töchtern vorbei zu Caleb und räuspert sich. »Hör zu, Caleb, ich habe darüber nachgedacht, warum du das hier tust, und ich, ich …«, sagt er, aber erneut hat er einen Frosch im Hals und muss husten. »Ich weiß, warum du mich hasst«, erklärt er, doch sein
Blick sagt etwas anderes, nämlich, dass er über alles nachgedacht hat und es nicht versteht, und dass er Caleb töten will. »Wirklich. Und ich kann dir deswegen keinen Vorwurf machen, Caleb, ehrlich«, sagt er und nuschelt fast dabei. »Es ist dein gutes Recht, mich zu hassen, aber doch nicht meine Kinder. Deine Botschaft ist angekommen. Aber um Himmels willen, halt meine Kinder da raus.«
Caleb schüttelt den Kopf. »Welche Botschaft, Doktor? Ich habe noch gar nicht angefangen. Und deine Kinder sind Teil des Ganzen, so wie meine damals.«
»Nein, sind sie nicht. Hör zu, sie sind nicht verantwortlich für das, was passiert ist.«
»Du bist dafür verantwortlich«, erklärt Caleb. »Meine Kinder und meine Frau sind tot, und ich haben fünfzehn Jahre im Knast gesessen, wo man mich Tag für Tag windelweich geprügelt hat, und was hast du in der Zwischenzeit gemacht, hm? Du hast dir ein schönes Haus gekauft, deine Kinder großgezogen, Spaß gehabt, eine Familie gegründet, deine Frau verärgert und …«
»Was passiert ist, ist meine Schuld«, sagt Stanton und hält inne, als Melanie ihm ein Glas Orangensaft hinstellt. Er trinkt es hastig aus. Erst jetzt fällt Caleb auf, wie ähnlich Melanie ihrem Vater ist. Und Katy auch, nur Octavia nicht. Mit ihrem einen Jahr sieht sie aus wie ein durchschnittliches Baby. In diesem Alter sehen alle Babys gleich aus, wenn es nicht die eigenen sind.
»Du hast meine Tochter getötet.«
»Nein, nein, hab ich nicht«, sagt Stanton und spuckt den Saft aus.
»Oh doch«, versichert Caleb. »Du und die anderen.«
»Ich weiß, warum du das glaubst, Caleb, wirklich, aber so war es nicht.«
»Genau so war es. Ich möchte, dass du durchmachst, was ich durchgemacht habe.«
»Was denn?«
»Den Verlust und die Schuldgefühle, ich möchte, dass du durchlebst, was ich durchlebt habe, und dass du stirbst, wie ich gestorben bin.«
»Was soll das heißen?«
»Ich denke, das weißt du«, sagt Caleb und betrachtet Stantons schmerzerfülltes Gesicht, während sein Gegenüber allmählich begreift. »Hast du eine Ahnung, wie es ist, ein Kind zu verlieren, geschweige denn zwei?«
Katy geht zu Octavia hinüber und fängt wieder an zu singen. Melanie bleibt bei ihrem Vater, doch plötzlich wirkt sie nicht mehr so tapfer, wie sie gerne wäre. Und Stanton macht bei dem Versuch, Stärke zu demonstrieren, erst recht eine jämmerliche Figur. Octavia zeichnet derweil mit ihrem Finger einen Kreis in den schmutzigen Boden und blickt sich verwirrt um, weil sie offensichtlich nicht begreift, warum der Kreis immer wieder verschwindet.
»Ich … ich verstehe nicht«, sagt Stanton.
»Ich glaube schon«, sagt Caleb. »Weißt du, ich habe meine beiden Kinder verloren, aber wenn du zwei deiner Kinder verlierst, hast du wenigstens noch eins übrig.«
Stanton schüttelt den Kopf. »Nein, nein, das darfst du nicht. Das darfst du nicht. Bitte, tu ihnen nicht weh.«
»Du hast mir auch wehgetan.«
»Es – es tut mir leid«, sagt er mit heiserer Stimme. »Es tut mir wirklich leid.«
»Was soll das heißen?«, fragt Melanie.
»Gar nichts«, sagt Stanton und dann, leiser, obwohl seine Kinder ihn immer noch hören können, »Caleb, das kannst du nicht tun.«
»Du hast eine Schuld zu
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