Haus des Todes
»Er hat sie mitten im Winter niedergestochen und vergewaltigt. Hier draußen waren es verdammte minus zwanzig Grad, aber das hat ihn nicht abgehalten. Er hat ihr immer und immer wieder in Brust und Bauch gestochen. Aber vorher hat er sie nackt ausgezogen und ihren winzigen Körper gegen den eiskalten Beton gedrückt, während du in deiner warmen Praxis Kaffee geschlürft und deine schwachsinnigen Ratschläge erteilt hast, ohne einen blassen Schimmer davon, wie die Menschen wirklich ticken.«
»Ich …«
»Du hast sie umgebracht, du Arschloch!«, brüllt er. Die Kinder schluchzen auf und stoßen kurze Schreie aus. Jetzt kommen die ganzen Gefühle wieder hoch, und wenn er sich nicht zusammenreißt, wird er das hier noch vermasseln, weil er dem Arzt direkt hier die Eingeweide herausreißt. Stanton zuckt bei jedem Wort zusammen, als würde man ihn mit Faustschlägen traktieren. »Du und deine beschissene, verdrehte Sicht auf die Welt, du
und deine Arroganz, deine Eitelkeit, du und deine Wichtigtuerei, und alles nur, weil du unbedingt den Dicken markieren wolltest. Du musstest ja den Klugscheißer spielen! Du hast nur an deine Karriere gedacht, wolltest dir einen Namen machen.«
Kätzchen Katy und Mäuschen Mel weinen sich immer noch die Augen aus dem Kopf und halten den Teddy zwischen sich umklammert. Sie kauern auf dem Boden und halten Octavia ebenfalls fest. Während Caleb sie betrachtet, sieht er ihre Angst, auch wenn sie nicht wissen, was richtige Furcht ist. Solange er sie nicht auszieht und zu Boden drückt, können sie das nicht wissen.
Er kämpft dagegen an, die Kontrolle zu verlieren. Er schüttelt den Kopf und senkt die Stimme. »James Whitby konnte nichts dafür. Er war gestört, er war ein böser Junge, so war er nun mal. Du behauptest, du hättest nur deinen Job gemacht. Das trifft auf die anderen zu, aber du hast mehr getan – du hast ausgesagt, dass man Whitby helfen könne. Auf deiner Aussage hat sein Anwalt sein Plädoyer aufgebaut. Du warst derjenige, der vor siebzehn Jahren im Zeugenstand diese zwölf Leute davon überzeugt hat, dass auf James Whitby Verlass sei, dass er …«
»Das habe ich nie gesagt!«
»Nein, und auch nicht, dass es für alle besser wäre, wenn man ihn in den Knast steckt. Stattdessen hast du gesagt, dass er Hilfe benötigt, ärztliche Hilfe. Du hast behauptet, dass man ihn heilen könne, und die Jury und der Richter haben es geglaubt.«
»Ich … Ich, es tut mir wirklich leid, ich … Um Gottes willen, tu meinen Kindern nichts.«
Caleb beugt sich vor und schlägt ihm so fest er kann ins Gesicht. Das Geräusch übertönt das Schluchzen der Kinder. Es hallt durch den Raum und durch die Tür bis tief ins Innere des Schlachthofs, vorbei an der Thunfischdose und an den Ratten, die wahrscheinlich gerade daran knabbern, und weiter nach draußen, vorbei an der Plastiktüte mit der Kacke und dem Wagen mit der Pisse auf der Motorhaube. Für einen Moment ist es das einzige Geräusch im Raum; die Mädchen haben aufgehört zu weinen. Doch dann fangen sie wieder an, und die Jüngste schlägt mit den Handflächen auf den Boden.
»Überleg dir, was du ihnen sagen möchtest«, erklärt Caleb. Er spricht immer noch leise, aber jetzt mit mehr Nachdruck. »Du hast den Tag über Zeit, eine Entscheidung zu treffen, denn heute Abend werde ich deiner Familie antun, was man meiner angetan hat.«
»Bitte –«
»Aber ich gebe dir die Gelegenheit, sie zu trösten, du Scheißkerl. Das ist sehr viel mehr, als meine Tochter bekommen hat. Sie müssen hier draußen nicht allein sterben.«
»Tu’s nicht.«
»Bist du gläubig, Doktor?«
»Was? Nein, nein … warum?«
»Weil es jetzt an der Zeit wäre zu beten. Auge um Auge, Doktor. So steht es in der Bibel. Bildlich gesprochen, bringt das die Situation hier auf den Punkt.«
»Du musst nicht …«
»Spar dir deine Worte«, erklärt Caleb und zieht ein Paar neuer Plastikfesseln hervor, um sie den Kindern anzulegen. »Das ist verlorene Liebesmüh. Heb sie dir für deine Kinder auf. Rede mit ihnen, steh ihnen bei, verabschiede dich von ihnen. Und damit wir uns nicht falsch verstehen, heute Abend werde ich an diesem gottverlassenen Ort deine Familie töten, und du kannst nicht das Geringste dagegen tun.«
Kapitel 22
In Ariel Chancellors Haus stinkt es nach feuchter Katze und feuchtem Hund, und ich halte mich von den Wänden fern, damit meine Klamotten trocken bleiben. Ich schaue auf meine Schuhe hinunter, um sicherzugehen, dass sie
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