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Haus des Todes

Haus des Todes

Titel: Haus des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Cleave
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wiederholt er. »Das ist ein sehr nützliches Wort.«
    Der Arzt beobachtet ihn. Er zerrt an den Plastikfesseln, doch als Caleb zu ihm rüberschaut, hört er damit auf. Caleb öffnet die Tasche mit Vorräten und holt ein weiteres Glas Babynahrung heraus. Inzwischen sind auch
die beiden anderen Mädchen wach. Er löst Katy die Fesseln und hält ihr das Glas hin.
    »Füttere sie«, sagt er und deutet mit dem Kopf auf das Baby.
    Statt das Glas zu nehmen, rennt Katy zu ihrem Vater und legt ihre Arme um ihn. Sie fängt an zu weinen, und Stanton weint ebenfalls. Er murmelt etwas durch das Klebeband. Die einzelnen Wörter sind zwar nicht zu verstehen, aber an seinem Tonfall kann man erkennen, worum es geht. Er sagt ihr, dass alles gut wird. Dass sie sich keine Sorgen machen soll. Caleb geht einen Schritt auf sie zu und will das Mädchen schon am Kragen packen und fortzerren, als er beschließt, sie einen Moment in Ruhe zu lassen. Schließlich ist die Zahl der schönen Momente für sie in Zukunft äußerst begrenzt. Doch nach dreißig Sekunden, als es so scheint, dass sich die beiden nie mehr voneinander lösen würden, ändert er seine Meinung.
    »Mach schon«, sagt er, aber Katy lässt nicht los. »Mach schon«, wiederholt er, »oder ihr kriegt nichts zu essen.«
    Katy lässt los. Sie schnieft und wischt sich mit dem Jackenärmel das Gesicht ab. »Okay«, sagt sie und greift nach dem Glas.
    Sie nimmt Octavia aus dem Sitz und platziert sie zwischen ihren Beinen, legt ihre Arme um sie wie eben um ihren Vater, verfrachtet sie wieder zurück auf den Sitz und öffnet das Glas. Löffel für Löffel verschlingt Octavia das Essen. Währenddessen reißt Caleb eine Packung Cornflakes auf und isst eine Handvoll davon, betrachtet die Milchtüte und überlegt, ob er sich etwas davon in den
Mund schütten soll. Stattdessen nimmt er etwas von dem Brot. Als Katy mit Octavia fertig ist, reicht sie ihr eine Plastikflasche mit Wasser. Sie trinkt davon, den Blick auf ihre Schwester gerichtet. Octavias Gesicht ist über und über mit Babynahrung beschmiert, und wahrscheinlich hat sie inzwischen auch schon wieder in die Windel gemacht. Doch Caleb bringt es nicht fertig, sich auch nur um eins von beidem zu kümmern.
    Octavia lässt ihre Flasche fallen, und sie rollt über den Boden. Sie greift danach, kommt aber nicht heran und fängt an zu weinen. So muss sich wohl eine Schildkröte fühlen, wenn sie auf dem Rücken liegt. Katy hebt die Flasche auf und gibt sie ihr zurück. Und Octavia hört auf zu weinen.
    »Bitte schön«, sagt Katy.
    »Katze«, sagt Octavia.
    Während sie trinkt, reibt Katy ihr die Arme. Und Caleb spült die Cornflakes mit Orangensaft herunter.
    »Ich muss mal auf die Toilette«, sagt Katy.
    »Okay«, sagt er, denn er muss ebenfalls. Sie verfrachtet Octavia wieder auf den Sitz, dann führt Caleb sie nach draußen. »Denselben Baum«, sagt er, und sie läuft hinüber und verschwindet dahinter. Er geht zum Wagen und pinkelt auf die Motorhaube.
    Im hellen Licht der Morgensonne hat der Schlachthof nichts von seiner unheimlichen Atmosphäre eingebüßt. Obwohl es sich ja eigentlich nur um ein verlassenes Gebäude handelt, harmlos, ein paar Mauern, die von der Natur zurückerobert wurden. Aber er ist mehr als das.
Dies ist der Ort, an dem seine Tochter gestorben ist, und er wird von Geistern bewohnt. Er ist voller dunkler Räume mit großen Fleischhaken. Und voller Albträume. Der Schlachthof beherbergt all das Leid dieser Welt.
    Die Sonne scheint ihm direkt ins Gesicht. Seine Kleidung fühlt sich ein wenig feucht an, doch nach fünfzehn Minuten hier draußen wird alles wieder trocken sein. Am blauen Himmel ist nicht ein einziges Wölkchen zu sehen. Ein wunderschöner Tag, und vielleicht bleibt er so, wie er begonnen hat, allerdings kann er die Stadt genauso gut mit Regenschauern beehren. Caleb schließt die Augen, und für einen Moment, für einen kurzen Moment, fragt er sich, ob er das alles hier nicht hinter sich lassen kann. Er muss nicht in den Schlachthof zurück, sich um den Arzt und die Kinder kümmern. Dann wird auch niemand sterben. Er könnte einfach abhauen, an irgendeinen Strand, und sich in die Herbstsonne hocken, die Atmosphäre genießen, und die Sache hier würde ein anderes Ende nehmen. Er könnte fortschwimmen. Irgendwohin. Und schauen, wie weit er kommt, bevor er vor Müdigkeit herabsinkt. Er war mal ein recht guter Schwimmer. Früher konnte er eine Bahn nach der anderen ziehen, ohne müde zu werden; sein Atem

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