Haus des Todes
sie nie selbst gesehen hat. Und das Letzte, was sie vor Augen hatte – das kriegt er ebenfalls nicht aus dem Kopf.
»Und euer Daddy«, sagt er jetzt mit gesenkter Stimme, »hätte das alles verhindern können. Er war es, der allen erzählt hat, dass James geheilt werden könne. Er ist schuld daran, dass meine Tochter gestorben ist. Meine Frau war so traurig über das, was geschehen ist, dass sie ebenfalls gestorben ist, zusammen mit unserem kleinen Sohn, der so winzig war, dass sie ihn noch in sich trug. Euer Daddy hat mir meine Familie genommen.« Er schaut zu Stanton hinüber. »Und darum werde ich ihm das Gleiche antun, was mir widerfahren ist.«
Das Glas fällt aus Katys Hand und zersplittert auf dem Boden. Stanton zuckt zusammen, und Octavia wird wach. Melanie und Katy schlafen. Octavia schaut zu ihrem Vater, dann zu ihren Schwestern, lächelt, runzelt die Stirn und fängt an zu schreien.
»Es gibt Neuigkeiten«, sagt Caleb zum Arzt. »Die Polizei weiß, dass ihr verschwunden seid, und bald werden sie herausfinden, dass ich es war, der euch entführt hat. Ich wollte eigentlich alles heute Nacht hier draußen zu Ende bringen, aber dafür ist keine Zeit mehr. Darum ändern wir jetzt den Plan. Wir vier werden eine kleine Reise machen.«
Der Arzt stemmt sich gegen die Plastikfesseln, sein Gesicht ist immer noch violett angelaufen. Octavias Schreie werden lauter. Und nervtötender. Caleb betrachtet sie; sie hat ihr Gesicht zu einer bösen kleinen Fratze verzogen, ihre Augen sind fest geschlossen, der verzerrte Mund weit aufgerissen. Sie holt tief Luft und stößt einen noch lauteren Schrei aus.
»Alles in Ordnung, deinen Töchtern geht es gut«, sagt Caleb mit lauter Stimme zu Stanton, um das Baby zu übertönen. »Ich weiß, ich habe dir bereits gesagt, dass ich deine Familie töten werde, und daran hat sich auch nichts geändert. Ich schätze, dass du besser rechnen kannst, als Diagnosen zu stellen. Wenn ich also sage, dass wir vier eine kleine Reise machen, dann ist dir wohl klar, dass einer hierbleiben muss. Wir werden uns ein wenig aufteilen. Ich bin der Fahrer, und es ist meine Rache, also bin ich unverzichtbar. Du ebenfalls. Und die Mädchen, also … Verdammt«, sagt er, denn Octavia unterbricht seinen Gedankengang. »Halt die Klappe, ja? Hältst du jetzt endlich die Klappe?«
Sie schreit noch lauter. Er macht sie von ihrem Sitz los und überprüft ihre Windel. Sie ist nass. Wahrscheinlich
hat sie auch Hunger. Caleb bewegt sie hoch und runter, doch davon schreit sie nur noch lauter.
»Pssst«, sagt er und wiegt sie sanft hin und her. »Wenn du nicht aufhörst zu schreien, muss ich dein ganzes Gesicht mit Klebeband umwickeln«, sagt er, obwohl ihm klar ist, dass sie ihn nicht versteht und er auch gar nicht so viel Klebeband benötigt. »Los, Octavia, sei jetzt still.«
Sie bekommt einen Schluckauf und übergibt sich auf seine Schulter, dann fängt sie erneut an zu schreien. Caleb legt sie zurück in den Sitz und schnallt sie fest, dann trägt er sie nach draußen. Dort stellt er sie in die Sonne und geht zurück in das verlassene Büro. Mit einem Tuch säubert er sein Hemd, während er sich wieder an Stanton wendet.
»Nur zwei deiner Töchter sind unverzichtbar, für mich sind sie allerdings alle gleich viel wert. Die Frage ist nur: Was sind sie dir wert? Eine kann hierbleiben, und zwei kommen mit uns. Die Entscheidung liegt bei dir. Oh, und ich sollte vielleicht erwähnen, dass diejenige, die hierbleibt, sterben wird.«
Eines der Mädchen hinter ihm schnappt nach Luft. Er dreht sich um und betrachtet sie. Sie schlafen beide. Zumindest nimmt er das an. Vielleicht hat eine von ihnen einen bösen Traum. Er geht in die Hocke und schüttelt sie. Vielleicht geben sie auch nur vor zu schlafen.
»Bist du wach?«, fragt er Katy, dann fragt er Melanie dasselbe. »Wenn ihr nur so tut, als ob ihr schlaft, dann wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, mir das zu sagen. Sollte ich feststellen, dass ihr mir nur was vorspielt, werde ich euch wehtun.«
Keine Reaktion. Also, wenn eine der beiden nur so tut, wird er’s in ein paar Minuten wissen, so viel ist sicher.
Er dreht sich wieder zu Stanton um.
»Ich verspreche dir, diejenige, die hierbleibt, wird keine Schmerzen haben. Und die beiden anderen werden nie erfahren, dass du diese Entscheidung getroffen hast. Keine von ihnen muss wissen, dass du deine beiden Lieblinge ausgewählt hast.
Also, Doktor, wer bleibt hier, und wer kommt mit? Ich will nicht unfair
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