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Haus Ohne Hüter

Haus Ohne Hüter

Titel: Haus Ohne Hüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böl
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und die Kapelle der Nonnen, zu denen auch Onkel Albert oft ging: dunkle Kapelle, wo rechts hinter der Kommunionbank ein großes schwarzlackiertes Gitter Ȭ über das auf der Rückseite ein ganz blauer Vorhang fiel Ȭ die Kirche absperrte, und wo hinter dieser doppelten düsteren Absperrung immer Ȭ immer, immer Ȭ die Nonnen mit angenehmeren Stimmen als Bolda, jene Choräle sangen, die Bolda zu singen glaubte. Vier Putztage hatte Bolda in der Woche, vier Tage lang schwebte sie Ȭ ein hagerer, dunkler Engel mit schneeweißem, völlig zerknittertem Gesicht Ȭ in schaumbedeckten, auf die Erde herabgelassenen Wolken in Kirchen herum. Manchmal, wenn er sie besuchte, schien es ihm, ihr Schrubber sei wie ein Ruder, ihr blauer Rock wie ein Segel, mit
    denen sie die auf die Erde herabgefallene Wolke wieder in den Himmel hinaufzusteuern gedachte: Aber immer klebte die Wolke am Boden, bewegte sich nur langsam auf irdischer Ebene vom Eingang zur Kommunionbank Ȭ und dann Ȭ ehrfürchtig langsam und mit weißerem Schaum bedeckt Ȭ um den Altar herum.
    In Boldas Zimmer war es gemütlich, obwohl alles nach Seifenschaum, zerkochten Steckrüben und nach der gemeinen Bouillon roch. Ihr Sofa Ȭ so sagte die Mutter Ȭ roch nach Nonnenwartezimmer, und in diesem Wort war eine Anspielung enthalten, die er wohl begriff, eine Anspielung auf Boldas Vergangenheit, die eine Nonnenperiode enthielt. Ihr Bett Ȭ so sagte ebenfalls die Mutter Ȭ sah aus wie Tarzans Lager im Walde, aber das Licht der Gaslaternen draußen fiel in Boldas Zimmer und strahlte alles grünlich Ȭ gelb an, und wenn er die Bouillon getrunken und die beiden Brötchen gegessen hatte, öffnete sie eine Schublade und holte das Unvermeidliche, das er nur ihretwegen mit einem Lächeln annahm: klumpig zusammengeklebte Malzbonbons. Er legte sich auf Boldas Sofa, als er mit Essen fertig war, steckte eine Malzbonbon in den Mund, schloß die Augen halb und beobachtete das grün Ȭ gelbliche Gaslicht. Bolda machte kein Licht, wenn er bei ihr war. Sie saß am Fenster über ihrem winzigen Bücherbord, das nur zwei Arten von Lesestoff enthielt: Gebetbücher und Kinoprogramme. So oft sie ins Kino ging, ließ sie sich für einen Groschen das Programm geben, nahm es dann später vor, betrachtete die Bilder eingehend und rekonstruierte, indem sie ihm davon erzählte, den Film genau. Sie schloß dann, um sich zu sammeln, die Augen, öffnete sie nur gelegentlich, um an den Bildern ihre Erinnerung zu wecken, und erzählte ihm ganze Filme, Szene für Szene, unter leichter Abänderung der Realität. Auf die Hauptfiguren tippte sie dann mit den Fingern, wenn sie in ihrer Erzählung auftauchten, und alles war dunkel, grell und schaurig wie eine Moritat, Gemeinheit—Ruchlosigkeit—Hurerei Ȭ aber auch Edelmut, Unschuld. Wunderschöne Männer, die von wunderschönen Frauen — wunderschöne Frauen, die von wunderschönen Männern
    »hintergangen« wurden — und der heilige Paulus, auf dem Wege nach
    Damaskus vom Blitzstrahl Gottes getroffen. Da war er, der heilige Paulus, bärtig und feurig auf dem Programmheft. Und die heilige Maria Goretti, von
    wiß hatte es mit unmoralisch und unschamhaft zu tun Ȭ , von einem sinnlichen
    Schwein heimtückisch ermordet. Meistens aber waren es Filme mit wunderschönen Frauen, die Nonnen wurden, es schien viele Nonnenfilme zu geben, die er alle nicht zu sehen bekam, denn quer über das Plakat war, wenn eine Nonne darauf war, nie der weiße Streifen geklebt: jugendfrei. Heute aber schien Bolda keine Lust zu haben, einen Film zu erzählen: Im grüngelben Licht der Gaslaternen hockte sie am Fenster und kramte in ihrem Gebetbuchstapel, bis sie das richtige gefunden zu haben schien. Zum Glück war es keins mit Noten, denn sonst hätte sie eine Stunde lang gesungen: Es war eins ohne Noten, und ihr ruhiges, gemurmeltes Gebet war angenehm; von hinten, so schmal und mit dem pechschwarzen Haar, sah sie fast wie Brielachs Mutter aus. Dunkler wurde es, grüner das Licht, das Boldas dunkle Möbel fast wie die Panzer schillernder Käfer erglühen ließ, und viel früher, als er erwartet hatte, hörte er die Mutter unten, hörte Autos draußen halten, das Lachen der Mutter, umgeben vom Lachen anderer, Fremder, und er haßte die fremden Lacher, haßte ihre Gesichter, noch bevor er sie gesehen hatte; haßte die Schokolade, die sie mitbringen, die Geschenke, die sie auspacken, die Worte, die sie sagen, die Fragen, die sie stellen würden.
    Und er sagte leise zu Bolda: »Sag, daß

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