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Haus Ohne Hüter

Haus Ohne Hüter

Titel: Haus Ohne Hüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böl
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schlug um fünf Pfennige pro Kilo auf, und Leo, das Schwein, beklagte sich über das schlechter werdende Frühstück, über die Kleinheit des Eis und beschuldigte ihn der Unterschlagung. Das war nah. Haß auf diesen Affen, der außerdem dumm war und sich durch die vorgelegte Kalkulation überzeugen lassen mußte, aber das Wort blieb: »Unterschlagung« Ȭ und die Mutter, er hatte sie genau beobachtet, hatte für einen Augenblick Leo geglaubt, nur für einen Augenblick, aber ein Augenblick war viel. Er mußte sparen, weil sie dauernd ausgingen Ȭ und für Wilma wurde kein Kleid gekauft, Unterschlagung. Er konnte es niemand sagen, Martin würde es gar nicht verstehen, und er scheute sich noch, mit Onkel Albert darüber zu sprechen. Später würde er es tun, denn Onkel Albert war der einzige, der begreifen würde, was es hieß, ihn der Unterschlagung zu bezichtigen. Seine Rache war hart gewesen. Er hatte für vierzehn Tage die Besorgungen, die Einkäufe niedergelegt: sollte Mutter es tun, sollte Leo sich drum kümmern, und siehe da: Schon nach einer Woche war nichts zu fressen mehr da, heillose Mißwirtschaft; Heulen bei der Mutter und Zähneknirschen bei Leo, bis sie ihn anflehten, anflehten, es doch wieder zu machen Ȭ und er tat es, aber er vergaß den Augenblick nicht, in dem die Mutter ihn verdächtigt hatte.
    Über solche Dinge konnte er in Martins Haus nur mit Albert sprechen, und
    später, wenn er mit Albert zu dessen Mutter in die Ferien fuhr, wo Will die Betreuung von Wilma übernahm: Dort würde sich eine Gelegenheit ergeben, mit Albert über das ungeheuerliche Wort »Unterschlagung« zu sprechen. Die verrückte Bolda war gut, aber auch mit ihr konnte man nicht über Geld sprechen, und Martins Mutter unterschied sich zwar von seiner Mutter nur durch das Geld, aber es kam noch etwas hinzu: Sie war schön, auf ihre Art schöner als die Mutter, sie war wie die Frauen im Film, und von Geld verstand sie nichts. Mit der Großmutter über Geld zu sprechen, war
    Großmutter, Will und Martins Mutter, aber auch das Geld machte die
    Eisschicht nicht stabiler und nahm der Tiefe des Wassers nichts von ihrer Ungewißheit. Gewiß, er konnte der Mutter was kaufen, Handtasche aus rotem Leder und rote Lederhandschuhe dazu, wie er es bei einer Frau im Film gesehen hatte, er konnte Wilma was kaufen, er konnte ins Kino gehen, Eis essen, die Haushaltskasse mit Reserven versehen, und er konnte Leo ostentativ nichts kaufen und ihn ostentativ nicht an der Verbesserung teilnehmen lassen, die der Haushalt erfuhr Ȭ aber soviel Geld war es wiederum nicht, daß er das Haus kaufen konnte, alles, was damit zusammenhing, die Gewißheit, nicht mehr auf Eis zu gehen und vor allem würde es nie den Unterschied zwischen Onkel Albert und Leo kaufen können. Was in der Schule gesagt wurde vom Lehrer und vom Kaplan, entsprach dem, was Karl gesagt hatte, »neues Leben«, ein schönes Wort, mit dem er sogar eine Vorstellung verband, eine Vorstellung, von der er aber wußte, daß sie nicht zu verwirklichen war. Fetter und doch härter war das Gesicht der Mutter gewor Ȭ den: Sie wuchs vom Vater weg, wurde älter als der Vater, viel älter, während er auf den Vater zuwuchs: sie war jetzt alt, uralt erschien sie ihm, und doch war sie ihm jung erschienen, als »es« im Krankenhaus weggemacht worden war, und als Leo zum erstenmal mit ihr tanzte. Und ihre Hand war schwerer geworden, die Hand, die sie ihm abends flüchtig auf die Stirn legte, bevor sie zu Leo hinüberging, um sich mit ihm zu vereinigen. Ihm blieb dann das Kind, das nicht weggemacht worden war. Wilma war jetzt bald zwei Jahre alt, und aus einem geheimnisvollen Grund war Wilma immer schmutzig. Leo haßte Schmutz; Leo war immer sauber, gemäß seinen Wappengerüchen, dem Geruch des Rasierwassers und des Bohnerwachses. Rotgebürstete Hände hatte er, polierte Fingernägel, und seine Waffe war neben der Knipszange Ȭ die Nagelfeile, ein albern langes Stück geriffelten, gerauhten Blechs, mit dem er die kleine Wilma auf die Finger schlug. Jeden Morgen machte Heinrich Wasser warm, um Wilma zu waschen, er wechselte ihre Wäsche, sooft es ging, aber aus einem geheimnisvollen Grund sah Wilma immer schmutzig, immer schmierig aus, obwohl sie so hübsch und klug war. Es war zum Verzweifeln. Wenn Leo Spätschicht hatte, war dieser mittags für eine Stunde mit Wilma allein, weil die Mutter jetzt schon um halb eins in die
    Bäckerei ging, und von dem Tage an, da Wilma zum ersten Male mit Leo allein

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