Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Haus Ohne Hüter

Haus Ohne Hüter

Titel: Haus Ohne Hüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böl
Vom Netzwerk:
Zeit.«
    Bresgote zog Zigaretten aus der Tasche, und sie steckten sie an, bevor Albert losfuhr.
    »Vielleicht sind wir schnell fertig«, sagte Bresgote. Albert antwortete ihm
    nicht, hupte, bevor er die Einfahrt zur Druckerei verließ, und fuhr am Warenhaus vorbei. Die Pfeiler zwischen den Schaufenstern waren jetzt ganz mit rot Ȭ weißen Plakaten behängt, von denen jedes mit einem einzelnen Wort beschriftet war und die insgesamt den Spruch proklamierten: Auch im Herbst solide.
    »Um es kurz zu sagen«, sagte Bresgote, »es geht mir um die Frau, mit der du
    zusammenlebst.«
    Albert seufzte. »Ich lebe mit keiner Frau zusammen. Wenn du Nella meinst, ich wohne bei ihr, aber...« »Aber du schläfst nicht mit ihr?« »Nein.«
    Sie schwiegen, während Albert den verkehrsreichen Platz umkreiste. Bresgote hatte Respekt vorm Autofahren, und er sprach erst wieder, als sie in eine stillere Straße bogen. »Sie ist aber nicht deine Schwester?«
181
    »Nein.«
    »Du möchtest auch nicht, daß Ȭ möchtest nicht mit ihr zusammenleben?«
    »Nein«, sagte Albert. »Wie lange kennst du sie?«
    Albert schwieg eine Weile, weil er nachrechnen mußte, er hatte nie genau ausgerechnet, wie lange er Nella kannte, er kannte sie Ȭ so schien ihm Ȭ schon ewig. Er fuhr in eine belebte Straße hinein, überquerte eine zweite und bog wieder in eine ruhigere ein »Moment«, sagte er, »ich kenne sie schon so lange, daß ich überlegen muß.« Er erhöhte die Geschwindigkeit, zog gierig an der Zigarette und sagte: »Im Sommer 33 lernte ich sie kennen in einem Eissalon Ȭ also genau zwanzig Jahre kenne ich sie. Damals war sie eine blühende Nazi, sie war jung und trug ihr BDM Ȭ Jäckchen, aber als Rai mit ihr gesprochen hatte, ließ sie es im Eissalon liegen, und wir hatten es ihr bald ausgetrieben. Es fiel nicht schwer, weil sie nicht dumm ist. Wir sind bald da«, sagte er, »ich muß nur schnell noch etwas für den Jungen kaufen. Zu Hause ist das Essen fertig, wir brauchen es nur aufzuwärmen, später machen wir uns Kaffee. Ich habe Zeit bis sechs, um sechs wollte ich wegfahren übers Wochenende.«
    »Schön«, sägte Bresgote, aber Albert spürte, daß er gern mehr von Nella hören wollte. »Nella ist übrigens nicht zu Hause«, sagte er. »Ich weiß«, sagte Bresgote. Albert sah ihn erstaunt an und schwieg.
    »Als sie ihren Mann verlor, war sie fünfundzwanzig, und das Kind war unterwegs. Ich wohne jetzt acht Jahre mit ihr zusammen und kenne sie, glaube ich, genau.«
    »Es ist mir ganz gleich, wie sie ist«, sagte Bresgote. »Es ist mir auch gleich, was du mir von ihr erzählst, aber hören möchte ich alles.«
    Albert hielt, und als er um den Wagen herumging, erschrak er, als er durch die Scheibe Bresgotes Gesicht von vorne sah, er erschrak über den Ausdruck verzweifelter Verliebtheit. Auch Bresgote stieg aus. »Wie alt ist das Kind?«
    »Es wird jetzt elf«, sagte Albert.
    Sie blieben vorm Schaufenster des Ladens stehen. Es war ein Schreib Ȭ warenladen, der zwischen Büchern, Papieren und Briefwaagen auch Spiel Ȭ zeug ausgestellt hatte.
182
    »Was kann man einem elfjährigen Jungen kaufen?« fragte Bresgote. »Ich verstehe nichts von Kindern, mache mir auch nichts aus Kindern.«
    »Das habe ich auch bis zu meinem dreißigsten Jahr gedacht«, sagte Albert,
    »ich mochte Kinder nie, wußte nichts mit ihnen anzufangen.« •
    Er ging voran in den Laden, und Bresgote folgte ihm. »Seit ich mit Martin zusammenlebe, ist es ganz anders geworden.«
    Er schwieg, denn er hatte Angst, die Zärtlichkeit zu zeigen, die er für Martin empfand. Er schob einen Packen Zeitungen beiseite und betrachtete einen Karton mit Plastilinstangen. Er liebte Martin sehr, und schon hatte er wieder Angst, Angst, daß Bresgote Nella heiraten und ihm der Junge verlorengehen könnte. Bresgote wühlte gedankenlos in einem Haufen kleiner Autos zum Aufdrehen herum. Obwohl die Ladenbesitzerin jetzt aus der Hintertür an den Tisch trat, sagte Bresgote: »Ich habe noch nie im Leben Eifersucht empfunden, aber jetzt weiß ich, was es ist.«
    »Es gibt kaum jemand, auf den du eifersüchtig sein müßtest.« Bresgote nahm
    einen Tischtennisschläger in die Hand und prüfte die Dicke der Korkschicht.
    »Ein Tischtennis, wäre das etwas für den Jungen?« »Keine schlechte Idee«, sagte Albert. Er blätterte unentschlossen in Bildheften, Büchern, ließ sich mechanisches Spielzeug zeigen, hölzernes und legte ein Hopalong Ȭ Cassidy Ȭ Heft beiseite. Bresgote schien etwas von

Weitere Kostenlose Bücher