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Haus Ohne Hüter

Haus Ohne Hüter

Titel: Haus Ohne Hüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böl
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gewesen Ȭ aber als er aus dem Krieg zurückkam, war er entsetzt zu sehen, in welchem Ausmaß sie gebrochen worden war. Sie konnte monatelang fromm sein, stand dann manchmal morgens früh auf, um in die Messe zu gehen, verbrachte Tage und Nächte mit der Lektüre von Mystikerbiographien Ȭ aber plötzlich verfiel sie wieder in Apathie, verdöste die Tage und verquasselte sie mit Leuten, die sie einlud, und war glücklich, wenn sich ein halbwegs sympathischer Kavalier zeigte, der mit ihr ins Kino ging, ins Theater Ȭ und manchmal fuhr sie mit Män Ȭ nern ein paar Tage weg, und wenn sie zurückkam, war sie deprimiert, heulte in ihrem Zimmer herum. Er fragte zurück: »Woher wußtest du, daß sie weggefahren ist?« Bresgote schwieg. Albert beobachtete ihn und begann, ihn lästig zu finden. Er haßte es, wenn Männer sentimental wurden und Bekenntnisse machten, und Bresgote sah aus wie einer, der eine Menge Bekenntnisse machen würde. Er glich Desperados in
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    Filmen, Desperados in einer Urwaldhütte Ȭ Schilf hing herab, und ein Affe

    warf mit einer Banane nach dem Desperado, und der Desperado warf mit einer leeren Whiskyflasche nach dem Affen, und der Affe hopste kreischend davon. Dann öffnete der Desperado mit zitternden Händen eine neue Whiskyflasche, soff und fing an, dem Gegenüber, das jetzt erst auftrat, zu erzählen. Das Gegenüber war ein Arzt oder ein Missionar oder ein ver Ȭ nünftiger Kaufmann, der den Desperado aufgefordert hatte, »ein neues Leben« anzufangen. Und nun legte der Desperado, nachdem er einen barbarischen Schluck genommen hatte, mit rauher Stimme los: »Neues Leben?« Höhnisches Lachen, und es folgte die lange, mit rauher Stimme erzählte Geschichte von einer Frau, die den Desperado erst zu einem solchen gemacht hatte Ȭ rauhe Stimme, Einblendung, rauhe Stimme, Einblendung Ȭ , erstaunter Arzt, erstaunter Missionar, erstaunter vernünftiger Kaufmann Ȭ und je leerer die Whiskyflasche, je rauher die Stimme des Desperado wurde, um so näher kam man dem Ende des Films. Aber Bresgote, obwohl rauhstimmig und schon mit sechs Kognaks versehen, Bresgote schwieg; und er stand plötzlich auf, durchquerte das Zimmer, stellte sich ans offene Fenster zwischen Bett und Schreibtisch, nahm den rosenfarbenen Vorhang in die Hand, spielte mit ihm, und er war nicht mehr der Desperado, sondern der intelligente, in einer sentimentalen Phase befangene Mann, wie er in intelligent geschriebenen, intelligent gedrehten, intelligent fotografierten Filmen sich an ein Fenster stellt, um ein Bekenntnis zu machen.
    Albert schenkte sich noch einen Kognak ein und beschloß, alles über sich
    ergehen zu lassen. Er war unruhig wegen des Jungen, der immer noch nicht aus der Schule zurück war. Bresgote konnte unbesorgt sein, er war einer der Typen, die Nella mochte, »intelligent und männlich«, wurschtig in der Kleidung, und es war zu erwarten, daß Nella die Phase, die sie im Augenblick hatte, bald überwinden würde. Jedes Jahr einmal ungefähr be Ȭ kam sie den Rappel, sich nach der sublimen Erotik intelligenter Mönche zu sehnen; nach dem süßen Zauber religiöser Gespräche am Kamin in großen, sauberen Räumen, bei guten Weinen und differenziertem Käsegebäck. Zwischen schönen Bildern moderner Maler genoß sie den Anblick und Gesellschaft bildschöner Mönche, deren Augen voller Glut waren und die den
    Albert lächelte, ohne es zu wissen, und es fiel ihm ein, wie er sich darauf freute, Nella wiederzusehen.
    »Ja, lächele du nur«, sagte Bresgote am Fenster, »ich bin ganz krank. Doch
    hätte ich mich wahrscheinlich begnügt, auf eine Begegnung mit ihr zu warten und sie nicht heute herbeizuführen, wenn ich sie nicht heute morgen gesehen hätte.« »Du sahst sie wegfahren?« sagte Albert.
    »Ja«, sagte Bresgote, »mit einem Kerl, den ich hasse, den ich schon haßte,
    bevor ich sie mit ihm sah.« »Wer war es?« fragte Albert mechanisch, denn er hatte das Gefühl, daß Bresgote einen Gesprächspartner suche. »Dieser Gäseler«, sagte Bresgote heftig, »kennst du ihn nicht?« »Nein.«
    Früher hätte die bloße Nennung des Namens Haß in ihm wachgerufen, aber jetzt erschrak er nur leicht und verstand Nellas Anspielungen über ihr Unternehmen.
    »Du kennst ihn also doch«, sagte Bresgote, der näher gekommen war, und Albert konnte von Bresgotes Gesicht ablesen, wie sein eigenes Gesicht nach der Nennung Gäselers aussah. »Ich kannte nur einmal jemand, der so hieß und ein Schweinehund war.«
    »Ein Schwein ist

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