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Haus Ohne Hüter

Haus Ohne Hüter

Titel: Haus Ohne Hüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böl
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er bestimmt«, sagte Bresgote. »Was macht er?«
    fragte Albert.
    »Irgend so ein katholisches Rindvieh, das mit Kultur zu tun hat«, sagte Bresgote. »Er ist seit drei Wochen beim Boten. «
    »Danke für die Schmeichelei«, sagte Albert, »ich bin auch katholisch.«
    »Tut mir leid«, sagte Bresgote, »leid um dich, nicht leid, daß ich es gesagt habe, aber der ist ein Schwein. Dieser Gäseler, den du kanntest, was hat er denn getan?«
    Albert stand auf. Jetzt hatte sich alles gewendet, und er stand am Fenster Ȭ war er jetzt der Desperado oder der intelligente Mann im Film, der in guter Haltung etwas zu erzählen hatte, das sich einblenden ließ? Bresgote, der verzweifelt mit einem Schreichholz im Munde herumstocherte, tat ihm leid, und er dachte an den Jungen und war beunruhigt, weil er noch nicht zurück war. Es quälte ihn, wieder erzählen zu müssen, was er schon so oft erzählt hatte, eine Geschichte, von der er das Gefühl hatte, daß sie durch ständiges Erzählen sich abschliß, sich veränderte. Nellas Mutter hatte er sie oft erzählen
    in den ersten Jahren auch dem Jungen. Aber jetzt hatte der Junge nicht mehr
    danach gefragt. »Los«, sagte Bresgote.
    »Dieser Gäseler, den ich kannte, hat Nellas Mann auf dem Gewissen Ȭ auf die legalste, unauffälligste Art, die es gibt: Im Krieg hat er ihn ermordet. Früher«, sagte er, »sagte ich leicht >ermordet<, heute sage ich es nur, weil mir kein anderes Wort einfällt Ȭ aber es ist sinnlos, es dir zu erzählen, weil wir nicht wissen, ob es derselbe ist.«
    »In einer Stunde wissen wir es«, sagte Bresgote. »In der Wochenendnummer
    des Boten war ein Bild von ihm. Soviel Schweinehunde, die Gäseler heißen, gibt es gar nicht.« »Was hat er dir denn getan?«
    »Oh, nichts«, sagte Bresgote höhnisch, »gar nichts. Sie tun einem nie etwas.«
    »Bist du sicher, daß sie mit diesem Gäseler weggefahren ist?« »Ich sah sie in seinen Wagen steigen.« »Wie sieht er aus?«
    »Ach, laß doch, ich brauche nur anzurufen, und in einer Stunde haben wir das Bild.«
    Albert hatte Angst vor dem wirklichen Gäseler, er winkte ab, aber Bresgote
    ging zum Telefon und wählte. Albert nahm den zweiten Hörer, lauschte, und als die Stimme am anderen Ende sagte: »Wochenend im Heim«, wußte er, daß es die war, die am Spiegel gestanden hatte, aber er hörte zugleich die andere, die sagte: »Du hattest recht, der Pudding war scheußlich.« »Stöpseln Sie doch richtig«, sagte Bresgote wütend, »man hört ja mit, was im Raum gesprochen wird.« Albert legte den zweiten Hörer auf.
    »In einer Stunde muß ich die letzte Wochenendnummer des Boten hier haben.
    Schicken Sie Welly mit dem Motorrad. Nein, nein«, schrie Bresgote, »nicht nach Hause, hierher Ȭ zu Herrn Muchows Adresse« Ȭ er nannte die Straße Ȭ
    »und alle Anrufe hierher, bis ich Bescheid gebe.«
    Er legte den Hörer auf und sagte zu Albert: »Los, erzähle.« Es war halb drei, und Albert war beunruhigt wegen des Jungen.
    »Es war im Sommer 42. Wir lagen morgens in Löchern, die wir gerade gegraben hatten, vor einem Dorf, das Kalinowka hieß. Es war ein neuer Leutnant gekommen, der rundschlich, um die
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    Leute seines Zuges zu sehen. Es war Gäseler. Bei uns blieb er länger als bei den andern liegen Ȭ es war alles ruhig, und er sagte: >Ich suche zwei intelligente Leute. < Wir schwiegen.
    >Zwei intelligente Leute suche ich.<
    >Wir sind nicht intelligent, < sagte Rai. Gäseler lachte.
    >Das einzige, was ihr überhaupt seid, ist intelligent<
    >Haben wir Brüderschaft miteinander getrunken?< sagte Rai.« Albert schwieg. Ihm schien, als schluckte er den Tod löffelweise. Wozu mußte er alles wieder erzählen, wozu mußte ein Mann auftauchen, der Gäseler hieß, wozu mußte er unbedingt Nella kennenlernen und Bresgotes Eifersucht wecken... »Diese Antwort«, sagte er mühsam, »entschied über Rais Schicksal. Gäseler bestimmte uns zu einem Spähtrupp, den auszuführen wir völlig ungeeignet waren. Alle Leute waren vernünftig, der Feldwebel, der uns kannte, riet Gäseler ab, und der Hauptmann schaltete sich ein und bewies ihm, wie ungeeignet wir seien, ein so heikles Unternehmen durchzuführen, denn es war so still in dem Dorf, vor dem wir lagen, und niemand wußte, ob Russen darin waren oder nicht. Alle Leute redeten es Gäseler aus Ȭ aber er schrie nur:
    >Es fragt sich, ob der Befehl eines Offiziers ausgeführt werden muß oder
    nicht.< Damit brachte er den Hauptmann in eine schwierige Position, nun«, er war zu

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