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Hausbock

Hausbock

Titel: Hausbock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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Menschen, die dem vermeintlichen Idyll im Anlautertal den
Rücken gekehrt hatten und wohl nicht nur geografisch so viel Abstand wie
möglich zwischen sich und Ledermann gebracht hatten. »Bye, bye, Bullerbü«,
murmelte er und trank seine Kaffeetasse mit einem großen Schluck leer.
    Mutter, Sohn und Tochter kamen gleichzeitig. Elvira Ledermann hatte
sich mit ihren fünfundsechzig Jahren gut gehalten. Als trauernde Witwe war sie
ganz in Schwarz gekleidet, mit einem schicken ärmellosen Kostüm, das sie ganz
gewiss nicht für Beerdigungen erworben hatte. Sie trug dezenten Schmuck: eine
lange Perlenkette und dazu passende Ohrstecker. Ob ihre Haarfarbe – blond –
original war, konnte Morgenstern nicht entscheiden. Eher nicht, vermutete er.
Aurelius war ein hagerer junger Mann, der Morgenstern als Erstes seine
Visitenkarte in die Hand drückte. »Aurelius J. Ledermann«, stand darauf,
»Anwalt mit den Schwerpunkten Familien-und Jugendrecht«. In seinem
dunkelblauen Anzug mit der schwarzen Krawatte sah er aus wie aus dem Ei
gepellt; das bereits schütter werdende dunkelbraune Haar hatte er nach hinten
gegelt, wodurch seine Geheimratsecken besonders deutlich zum Vorschein kamen.
    Seine Schwester Raphaela, die sich auf einen der unbequemen Stühle
im Besprechungsraum gefläzt hatte, wirkte wie der exakte Gegenentwurf zu ihm.
Ungepflegt, mit strähnigem schwarzen Haar, ungesund bleicher Gesichtsfarbe. Im
rechten Nasenflügel glitzerte ein kleiner, dennoch auffälliger Ring, auch die
rechte Ohrmuschel war von mehreren Ringen durchstochen. Sie trug eine schwarze
Lederjacke mit silbern glänzenden Nieten, vor der Brust, über einem weißen
Feinrippunterhemd, baumelte ein großes Kreuz aus Metall. War ihr Bruder hager,
so war Raphaela mager. Ihre Beine, die in einer eng anliegenden schwarzen Jeans
steckten, waren spindeldürr. Ihre dunklen großen Augen hatte sie mit Kajal
schwarz umrandet.
    War sie hübsch? Morgenstern wusste selbst nicht so genau, wie er
diese Frage beantworten sollte. Auf ihre Art war sie sicher attraktiv, so wie
die Mädchen, die vor ein paar Jahren von den internationalen Modeschöpfern auf
die Laufstege geschickt worden waren, um den »Heroin Chic« populär zu machen.
Raphaela wurde begleitet von einem zotteligen schwarzen Hund, einer halbhohen
Promenadenmischung, der sich zu ihren Füßen unter den Besprechungstisch gelegt
hatte, nachdem er erst einmal misstrauisch Morgensterns und Hechts Hosenbeine
beschnüffelt hatte.
    »Ich möchte Ihnen allen unser herzliches und aufrichtiges Beileid
bekunden«, sagte Morgenstern gedrechselt, und Hecht bekräftigte mit eifrigem
Nicken. »Wir haben anschließend noch einen schweren Gang vor uns. Zumindest
einer oder eine von Ihnen muss die Leiche, ich meine Herrn Dr. Ledermann,
offiziell identifizieren.«
    »Wissen Sie denn noch nicht, ob er es ist?«, fragte Elvira Ledermann
scharf.
    »Doch, natürlich«, sagte Hecht. »Die Menschen im Anlautertal, die
Helfer von der Feuerwehr und auch der Tittinger Bürgermeister kannten ihn ja.
Aber wir brauchen auch die Erklärung eines engen Angehörigen, dass er es
wirklich ist.«
    »Ach so«, sagte Elvira Ledermann. »Wenn es möglich ist, würde ich
mir den Anblick gerne ersparen. Ich glaube nicht, dass ich dem gewachsen bin.«
    »Dann mache ich das«, meldete sich Raphaela zu Wort. »Mir macht das
nichts aus.«
    Morgenstern wunderte sich darüber kein bisschen. Bei näherer
Betrachtung schien ihm die blass geschminkte Raphaela einen Hang zur
Gothic-Szene zu haben, in der eine morbide Grundeinstellung quasi zum Programm
gehörte.
    »Ich würde auch mitkommen«, sagte ihr Bruder nach kurzem Überlegen.
Morgenstern hatte den Eindruck, als wolle er seiner Schwester diese Aufgabe
nicht allein überlassen. Ehe er etwas dazu sagen sollte, meinte Raphaela
großzügig: »Von mir aus, Bruderherz. Sehen wir ihn uns gemeinsam an.
Hoffentlich sind wir uns dieses eine Mal einig.«
    »Wie bitte?«, fragte Morgenstern.
    »Einig bei der Identifizierung.«
    »Ach so. Machen Sie sich da mal keine Sorgen. Wie gesagt, es ist
eher eine Formalie. Aber der eigentliche Grund, warum wir Sie so eilig
zusammengerufen haben, ist, dass wir mehr über Dr. Ledermann erfahren müssen.
Auch wenn Sie alle drei schon länger nicht mehr mit ihm zusammenwohnten, so
sind Ihre Informationen doch wichtig für uns. Wie heißt es: Blut ist dicker als
Wasser.«
    Peter Hecht zog ein großes braunes Kuvert hervor, öffnete es und
holte mehrere großformatige

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