Hausbock
Fotografien heraus.
»Ich will das nicht sehen«, sagte Elvira Ledermann mit bebender
Stimme. »Sie werden mir doch keine Fotos von der Leiche zeigen?«
Hecht winkte ab. »Nein, das sind Aufnahmen von der Schwarzmühle
beziehungsweise von dem, was noch übrig ist.« Er fächerte einige Bilder auf,
die das Trümmerfeld zeigten, das einmal die stolze Schwarzmühle gewesen war.
Alle drei Angehörigen zeigten sich entsetzt, obwohl sie vergleichbare Fotos mit
Sicherheit schon am frühen Morgen in der Zeitung gesehen hatten. Direkt neben
dem Polizeipräsidium befand sich ein großer Kiosk – und der Ingolstädter
Donaukurier, der dort immer stapelweise auflag, hatte ein Foto vom Unglücksort
groß auf der Titelseite.
Hechts Fotoausdrucke gingen von Hand zu Hand. Elvira Ledermann hielt
sich die Hand vor den Mund, als könne sie nur so einen Ausruf des Entsetzens
unterdrücken. Sohn Aurelius versuchte offenkundig, seiner Rolle als starker
Mann gerecht zu werden, musste sich aber doch verstohlen die Augen reiben. Nur
Raphaela verzog keine Miene, schüttelte allerdings mehrmals kaum merklich den
Kopf.
»Solche Verheerungen deuten auf eine Explosion hin«, sagte Hecht
langsam und hielt ein Übersichtsbild vom Brandort in die Höhe. »Es gibt gewisse
Anzeichen. Haben Sie eine Idee, ob es in dem Anwesen etwas Explosives gab? Auch
wenn Sie schon lange nicht mehr im Haus waren.«
Alle drei dachten angestrengt nach. Man konnte ihnen fast ansehen,
wie sie das Haus vom Keller bis zum Speicher abgingen, auf der Suche nach einer
großen Kiste mit der Aufschrift »Dynamit«.
»Lassen Sie sich bitte in Ihren Überlegungen nicht einengen«, sagte
Hecht nach einigen Sekunden. »Es kann alles Mögliche gewesen sein. Eine alte
Gasflasche, vielleicht auch mehrere. Oder ein Benzintank. Oder ist es
vielleicht denkbar, dass es irgendwo im Haus«, er zögerte kurz, »dass da
irgendwo Sprengstoff war?« Aufmunternd blickte er in die Runde.
»Sprengstoff?«, fragte Raphaela irritiert. »Wie sollte denn Sprengstoff
in die Schwarzmühle kommen?«
»Wir dürfen nichts von vorneherein ausschließen«, stellte Hecht
klar. »Aber Gasflaschen sind natürlich auch eine Möglichkeit. Wie man sie zum
Campingurlaub benutzt.«
»Mein Exmann, also Rupert, war ganz gewiss kein Camper«, sagte
Elvira Ledermann.
»Man braucht solche Flaschen auch, wenn man zum Beispiel Unkraut aus
den Pflasterritzen in der Hofeinfahrt brennen will«, half Morgenstern. »Manche
Menschen betreiben regelrecht Brandrodung rund um ihr Haus.«
»Nein, das kann ich mir bei Rupert nicht vorstellen. Das wäre ihm zu
gefährlich gewesen. Obwohl er bei der Gartenarbeit ausgesprochen penibel war.«
Elvira Ledermann blickte an die Decke. »Und er war es auch ansonsten. Immer
korrekt. Ein Perfektionist.« Sie senkte den Blick wieder und schaute lange auf
eines der Fotos von der Schwarzmühle. »Ein Pedant.«
»Aha«, sagte Morgenstern gedehnt. »Sind Sie eigentlich geschieden,
oder leben Sie in Trennung?«
»Wir sind seit etwa vier Jahren getrennt. Ich wohne in München, wie
Sie ja schon wissen, und habe einen neuen Partner.« Sie schwieg lange.
»Aber die Scheidung haben Sie nie vollzogen?«, fragte Hecht irgendwann.
»Nein. Offiziell waren Rupert und ich immer noch verheiratet. Er
wollte eine Scheidung unbedingt vermeiden. Er war in dieser Hinsicht, und nicht
nur in dieser, sehr konservativ.«
»Und Ihrem neuen Lebensgefährten hat das nichts ausgemacht?«, fragte
Morgenstern.
»Nein, warum auch«, sagte Elvira Ledermann leichthin. »Dragan hat
sich nie daran gestört.«
»Dragan?«, fragte Hecht und hielt den Füller bereit.
»Ich fände es schön, wenn Sie ihn nicht in diese Sache hineinziehen …«
Elvira Ledermann spielte fahrig mit ihrer Perlenkette. »Er heißt Dragan
Starcevic.«
Hecht ließ sich den Namen buchstabieren und schrieb ihn auf. »Was
ist das für ein Landsmann?«, wollte er wissen.
»Dragan ist Serbe.«
»Und was macht Herr Starcevic beruflich?«, fragte Morgenstern.
»Er arbeitet als selbstständiger Kaufmann.«
»Wohnt er mit Ihnen zusammen?«
Elvira Ledermann legte genervt den Kopf in den Nacken. »Ich möchte
wirklich wissen, warum Sie das alles wissen wollen. Mein Exmann ist gestorben,
und Sie quetschen mich hier aus wie eine Zitrone und wollen privateste Dinge
wissen!«
»Reg dich nicht auf, Mama«, sagte Aurelius Ledermann und legte ihr
die Hand auf den Arm. »Das geht schon in Ordnung. Die müssen solche Sachen
fragen.«
»Also schön«,
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