Hausbock
Tanks. Die Autobahn durchschnitt ein großes Waldgebiet, den Köschinger
Forst, einige Kilometer danach ging es steil den Kindinger Berg hinab ins
Altmühltal. Hier verließen sie die Autobahn und fuhren durch Enkering, das
Anlautertal aufwärts Richtung Emsing und zur Schwarzmühle.
Schweigend näherten sie sich der Ruine der Schwarzmühle und stellten
den Audi neben einem Haufen verkohlter Balken ab. Die Feuerwehrler hatten am
vergangenen Tag und noch an diesem Vormittag ganze Arbeit geleistet und den
Trümmerberg, soweit das möglich war, begehbar gemacht. Ein Techniker der Kripo
in weißem Overall lief dazwischen herum. Als er Morgenstern und Hecht sah, kam
er zu ihnen.
»Haben Sie schon was gefunden?«, fragte Hecht.
»Das ist hier alles nicht ganz einfach«, sagte der Techniker, ein
junger Mann, dessen linke Augenbraue zu Morgensterns Überraschung mehrfach
gepierct war. Wahrscheinlich verbargen sich unter den Ärmeln seines Sweatshirts
großformatige Tätowierungen. Der Mann musste in seinem Fach gut sein, wenn er
trotz dieser Aufmachung bei der Einstellung überzeugt hatte, dachte er.
»Ein unglaubliches Chaos. Ich habe mir ein paar Männer von der
Feuerwehr geholt, die mir die gröbsten Trümmer weggeräumt haben.«
»Und?«, fragte Morgenstern ungeduldig.
Der junge Techniker lächelte. »Kommen Sie einfach mal mit.«
Er führte Hecht und Morgenstern zu vier weißen Plastikwannen etwas
abseits des Trümmerhaufens, in denen allerlei Krimskrams gesammelt war.
Morgenstern erinnerten die Wannen eher an die Ausbeute eines langen
Strandspaziergangs als an Beweisstücke eines Brandfahnders. Insgeheim hoffte
er, dass aus einer der Kisten das Tatwerkzeug herausragen würde, ein
blutverschmierter Spaten voller Fingerabdrücke.
»Sehen Sie sich das mal an.« Der Kriminaltechniker deutete auf eine
der Wannen, in der verbogene rot lackierte Metallstücke lagen.
»Teile einer Propangasflasche«, sagte Morgenstern fachkundig.
»Nicht eine, Herr Morgenstern. Soweit ich es bisher überblicken
kann, sind es mindestens drei. Das wird sich aber im Labor klären lassen. Und
zwar große Flaschen.«
»Und wo waren die?«
»In einem eingestürzten alten Gewölbekeller unterm Haus.«
Morgenstern beugte sich zu der Wanne, um sich die Metallteile näher
anzusehen.
»Hände weg!«, befahl der Techniker barsch. »Vielleicht lassen sich
noch Fingerabdrücke finden.«
Hastig zog Morgenstern die Hände zurück. »Drei Gasflaschen«,
wiederholte er. »Reicht das für eine solche Explosion?«
»Locker. Der Keller war sehr klein und niedrig, aber massiv aus
Bruchsteinen gemauert, und die Treppe führte über eine Ecke hinunter. Sie
können sich das gleich mal ansehen. Wenn es da eine Explosion gibt, dann ist
das wie eine Druckkammer. Das macht einen Riesenrums.«
»Das ist nicht zu übersehen.« Morgenstern wandte sich zu dem
Trümmerhaufen um. »Kaum zu glauben: So eine Gasflasche habe ich immer dabei,
wenn ich mit meiner Familie in Campingurlaub fahre.«
»Da fahren Sie praktisch eine Bombe im Auto spazieren«, sagte der
Techniker. »Aber wie bei allen Bomben ist das Entscheidende der Zünder. Im
Falle Ihres Urlaubsautos müssten Sie also schon einen spektakulären Unfall
bauen, damit Ihre Gasflasche in die Luft fliegt. Ich habe, wenn ich’s recht
überlege, noch nie von so einem Fall gehört. Gehen Sie also ruhig weiterhin
campen, aber immer schön das Ventil zudrehen bitte.«
Der junge Mann blinzelte in die Sonne. »Stellt sich die Frage, wie
es zur Explosion kam. Ich habe da unten etwas Interessantes gefunden.« Er hielt
Hecht und Morgenstern eine dicke rote, verschrammte Kerze hin. »Die war auch im
Keller.«
Morgenstern sah ihn fragend an. »Und?«
»Das wäre eine simple Lösung für eine zeitverzögerte Explosion:
Jemand öffnet die Ventile der Gasflaschen, zündet die Kerze an und geht seiner
Wege. Der Gaspegel im Keller steigt ganz langsam, und nach einer oder nach zwei
oder auch drei Stunden erreicht er die Kerzenflamme. Bum. Ich denke aber, das
lässt sich im Labor noch genauer analysieren.«
»Und woher kommen die Propangasflaschen?«, fragte Morgenstern.
Der Brandfahnder zeigte mit dem Finger auf ihn. »Das herauszufinden
ist Ihr Job. Ich finde die Explosionsursache, Sie finden den Menschen, der die
Explosion verursacht hat. Das nennt man Aufgabenteilung.«
»Schon gut, schon gut. Kennen Sie Fälle, wo jemand ein Haus auf
diese Weise zerstört hat?«
Der junge Mann überlegte. »Mit Gasflaschen ist
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