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Hausbock

Hausbock

Titel: Hausbock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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Reste einer Informationstafel, die
rabiat abgerissen worden war. Aus dem Augenwinkel sah er, dass im Gras, etwas
abseits, ein gelbes Schild lag, achtlos zur Seite geworfen. Es war ein dreieckiges
Schild aus Kunststoff, wie ein Verkehrszeichen, die Spitzen abgebrochen. Er
deutete darauf, und der Lichtstrahl der Taschenlampe folgte seinem Finger. Das
Schild war umgedreht, die Schrift nicht zu lesen. Morgenstern wandte sich von
der Tür ab, bückte sich und drehte das Schild um. Die Taschenlampe tauchte es
in gleißendes Licht. Das Schild zeigte einen Totenkopf mit zwei gekreuzten
Knochen. Morgenstern legte es leise wieder auf den Boden.
    Langsam, wie in Zeitlupe, ging er auf die dunkle Kapelle zu. Zwei
Taschenlampen leuchteten ihm nun den Weg. Vorsichtig drehte er den Schlüssel in
dem jahrhundertealten Schloss. Mit einem metallenen Knarzen schob sich im
Inneren ein eiserner Bolzen zur Seite. Leicht schaudernd zog er die Tür nach
außen auf. Der Strahl der Taschenlampen tastete sich durch den kleinen Raum.
    »Da liegt jemand«, rief einer der Beamten. Sein Taschenlampenkegel
huschte über den steinernen Boden aus polierten Solnhofener Platten.
    Mitten in der Kapelle, zusammengekrümmt, lag ein lebloser Körper.
Morgenstern lief hinüber, beugte sich hinab und drehte den Körper zur Seite. Er
blickte in ein wächsernes Gesicht mit herausquellenden Augen. Die Zunge spitzte
bläulich aus dem Mund. Die Haare über der Stirn trieften vor Blut.
    Morgenstern atmete tief ein. »Lothar Pfunder. Denkmalpfleger«,
keuchte er und drehte sich zu den Kollegen um, die draußen stehen geblieben
waren. Er holte nochmals tief Luft, spürte einen seltsamen Geruch in der Nase.
Dann war ihm, als würde ihm eine unsichtbare Pranke die Kehle zuschnüren. Er
hielt sich die Hand an den Hals. Ihm wurde schwarz vor Augen.

ELF
    Als er wieder aufwachte, lag Morgenstern im Gras, über ihm der
gekreuzigte Herr Jesus Christus, neben ihm der Jünger Johannes mit flehentlich
gefalteten Händen. Es sah aus, als würde der Apostel für den Mann zu seinen
Füßen ein gutes Wort erbitten wollen. Einer der Polizeibeamten verpasste
Morgenstern Ohrfeigen.
    »Hör sofort auf«, hustete Morgenstern und richtete sich auf. Keine
drei Meter neben ihm, bei der Jungfrau Maria, war Lothar Pfunder ins Gras des
Friedhofs gebettet. Über ihm kniete der andere Streifenbeamte. Mit beiden
Händen presste er rhythmisch auf Pfunders Brustkorb. Morgenstern konnte in der
Dunkelheit nicht erkennen, ob die Bemühungen irgendeinen Effekt hatten. Er hustete
erneut. In der Ferne hörte er das Signal eines Rettungswagens.
    »Um Gottes willen!« keuchte Morgenstern. »Was ist denn in dieser
Kirche los?«
    »Gas«, sagte der Kollege. »Chemische Schädlingsbekämpfung. Deswegen
das Schild mit dem Totenkopf. Die räuchern die ganze Kirche mit irgendeinem Gas
aus.« Er sah Morgenstern sorgenvoll an. »Du hast ein paar Atemzüge davon
abgekriegt. Ich hab dich an den Füßen vom Eingang weggezogen. Und der Kollege
hat den Mann da geborgen.« Er zeigte auf Lothar Pfunder, der immer noch eine
Herzmassage erhielt.
    Morgenstern kannte die alte Regel: Wer einmal mit der Herzmassage
begonnen hatte, durfte nicht mehr damit aufhören, bis ein Rettungssanitäter da
war und den Fall übernahm.
    »Ist er …?«, fragte Morgenstern.
    »Tot? Weiß ich nicht. Er hat ja auch diese Wunde über der Stirn.«
    Der Lärm des Martinshorns kam immer näher, bis er schließlich
verstummte. Der Wagen hatte direkt am Friedhofseingang gehalten.
    Das Zucken des Blaulichts wäre unter anderen Umständen, zwischen all
den alten Grabsteinen, gespenstisch gewesen, aber nun wirkte es auf Morgenstern
befreiend. Er rappelte sich auf, wobei er sich kurz am heiligen Johannes
festhalten musste, dann ging er den heraneilenden Sanitätern entgegen.
    »Schnell, da drüben liegt er«, rief er und deutete zur Kreuzigungsgruppe.
    Er selbst ging noch einmal zur Kapelle. Die Tür war inzwischen
wieder fest geschlossen. Morgenstern versperrte sie mit dem großen Schlüssel,
der immer noch im Schloss steckte. Dann bückte er sich nach dem Warnschild und
hob es auf. Sorgfältig klemmte er es über der Klinke fest. Der Totenkopf
grinste ihn an.
    »Vergiss es«, flüsterte Morgenstern dem knochigen Schädel zu. »In
meiner Sanduhr sind noch massig Körner.«
    Kurz danach rückte die Eichstätter Feuerwehr mit mehreren Fahrzeugen
an. Die Männer leuchteten den Friedhof mit einem hoch aufgerichteten Lichtmast
aus. Morgenstern erkannte

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