Hausbock
hier irgendwo
sein.«
»Also noch mal, ganz langsam, zum Mitschreiben«, sagte einer der
beiden Streifenbeamten. »Du suchst die Tochter dieses ermordeten Dr. Ledermann.
Und die trifft sich mit einem Mann konspirativ auf dem Friedhof.«
»Genau.«
»Auf dem Eichstätter Friedhof?«
»Ja, sag ich doch«, gab Morgenstern genervt zurück. »Eben war sie
noch in der Kneipe an der Luitpoldstraße, da hat man mir das gesagt.«
»Was genau hat man dir gesagt?«
»Dass Raphaela Ledermann sich mit jemandem auf dem Friedhof trifft.«
Die beiden Streifenbeamten sahen sich an. »Diese verrückten
Gruftis!«, sagte der eine.
Der andere nickte. »Steig ein, Morgenstern! Du bist am falschen
Friedhof.«
»Aber es gibt doch nur einen einzigen Friedhof hier, den
Ostenfriedhof«, protestierte Morgenstern, während er sich auf den Rücksitz des
Streifenwagens quetschte.
»Den einzigen Friedhof, der in Benutzung ist«, konkretisierte der
Beifahrer. »Aber am anderen Ende der Altstadt, draußen an der Westenstraße, da
liegt der alte Westenfriedhof. Die Leute sagen auch Pestfriedhof dazu.«
»Hab ich noch nie gehört«, sagte Morgenstern.
»Muss man auch nicht kennen. Der ist schon seit Ewigkeiten aufgelassen.
Aber er ist immer noch ein Friedhof. Mit uralten Grabsteinen und großen Bäumen.
Wie ein kleiner Park.«
Der Streifenwagen jagte durch die Innenstadt. Sie fuhren über den
Marktplatz, die Westenstraße hinaus.
»Wo soll dieser Friedhof sein?«, fragte Morgenstern.
»Da vorn, gleich rechts, gegenüber der Einfahrt zum Freibad.«
Morgenstern sah ein dunkles Kirchlein, eine Kapelle, deren Glockenturm
sich gegen den Nachthimmel abhob. Daneben eine Mauer mit einem hölzernen
Gittertor. Ein paar steinerne Stufen führten zum Eingang. Der alte Pestfriedhof
war an den Hang gebaut.
Sie stellten den Wagen ab und gingen die Treppen zu dem steinernen
Torbogen hoch. Leise drückte Morgenstern die schlichte Türklinke. Das Tor war
unverschlossen.
Morgenstern war froh, dass er die Begleitung der beiden Landpolizisten
hatte. Die beiden hielten sich geräuschlos hinter ihm und lauschten. Doch das
Einzige, was sie hörten, war das Rauschen der großen Bäume, die am ummauerten
Hang standen. Hüfthohe schmale Grabsteine mit altertümlichen Schriften standen
über das Gelände verstreut. Den Mittelpunkt bildete eine steinerne Kreuzigungsgruppe:
Jesus am Kreuz, vor ihm, kniend, seine Mutter und der Apostel Johannes.
Nachbarhäuser waren dicht an den Gottesacker gerückt. Ein Anwohner hatte sogar
einen kleinen Schuppen direkt auf die Friedhofsmauer gebaut. Und doch wirkte
der Friedhof wie aus einer anderen Welt.
Die Beamten gingen bis zum gekreuzigten Jesus und sahen sich um. An
einem Grabstein war eine Tafel angebracht.
»Die Kettnerin«, sagte einer der Polizisten, nun schon lauter,
nachdem von Raphaela Ledermann auch hier jede Spur fehlte. »Die Kettnerin war
eine Frau aus Titting. Hat sich vor zweihundert Jahren als Soldat verkleidet
und im Krieg mitgekämpft, bis man ihr eines Tages draufgekommen ist. Sie ist
ehrenhaft entlassen worden, mit lebenslanger Pension. Dafür müssen wir noch ein
paar Jahre arbeiten.«
»Du solltest Stadtführer werden«, schlug Morgenstern vor.
Gemeinsam gingen sie zurück zum Ausgang. Die Friedhofskapelle lag
dunkel vor ihnen. Ein Gerüst war auf der Rückseite aufgestellt, anscheinend
wurde das kleine Gotteshaus gerade renoviert. Einer der Beamten nahm seine
Taschenlampe vom Gürtel und leuchtete auf die Kirchenmauer. Ein Werbeplakat war
ans Gerüst gehängt: »Zimmerei Willibald Huber. Ihr Dachstuhl-Profi aus dem
Altmühltal«. Der Strahl der Stablampe traf ein zweites, kleineres Schild:
»Romanowski – Holzschädlingsbekämpfung«. Darunter war groß die schwarze
Silhouette eines Käfers abgebildet.
Die Kapelle hatte an der Friedhofsseite zwei schmale, hohe Fenster
mit gotischen Spitzbögen, außerdem eine niedrige hölzerne Tür. Morgenstern ging
langsam darauf zu. Er schaute zu den beiden Kollegen. Einer nickte und hielt
demonstrativ die rechte Hand auf die Pistole an seiner Seite. Kein noch so
winziger Lichtschein drang aus den hohen Fenstern, kein Laut.
Morgenstern hielt kurz inne. Da ist nichts, dachte er. Dann sah er
den Schlüssel. Ein großer, alter Schlüssel steckte außen im Türschloss.
Morgenstern drückte die Klinke und zog sachte. Die Tür war abgesperrt. Er
wollte den Schlüssel gerade im Schloss drehen, als ihm auffiel, dass an der
Holztür drei gelbe Plastikteile hingen. Die
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