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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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du mir labil vor.«
    Darauf erwiderte Klaus: »Ich glaube, ich muss mal wieder mehr für mich allein sein. Wenn man immer von Leuten umgeben ist, die selbe r … ständig Probleme haben, färbt das auf einen ab.«
    Meinen Eltern würde es erst nach dem Verwandtenbesuch wieder bessergehen, Vitamine hin oder her.
    Abends hörten wir in den Nachrichten, dass Margarethe von Trotta für ihren Film Die bleierne Zeit im Rahmen des Deutschen Filmpreises das Filmband in Gold verliehen worden war. The Wiebkes and the Klauses waren euphorisiert, ihre Streitigkeiten vergessen. Den ganzen Abend wurde über Die bleierne Zeit gesprochen.
    Im Hof hingen fünf schwarze Noppenkondome an einem verrosteten Bettgestell, das Teil der Urbanen Collage war. In die Kondome hatte der Olk vertrocknete Rosen gesteckt. Hatte ich eigentlich je eine Frau bei ihm gesehen?
    Der Hauser war immer noch nicht wiedergekommen. Vielleicht war er ja doch von Kassel aus noch in den Süden gefahren. Seine Butze war genauso unordentlich wie vor ein paar Tagen.
    Ich lag im Bett und blickte an die Spinnweben hoch über mir. Von irgendwoher hörte ich: Völlig losgelöst von der Erde schwebt das Raumschif f …

Highway to Hell – Helmstedt
    Morgen würde unsere Reise beginnen. Jedes Mal freute ich mich darauf, Berlin, den blöden Sechzigerjahreklotz hinter unserem Hof, unsere graue Straße, die zu oft angestarrte Decke meines Zimmers verlassen zu können, doch kaum waren wir an unseren einsamen Ferienorten angekommen, wollte ich wieder nach Hause. Wenn wir in Dänemark an einem weiten, weißen Strand waren, dachte ich an das Rattenloch. Wenn wir in einem schwedischen Dorf herumdümpelten, sehnte ich mich nach den Doppeldeckern, mit denen ich zur Schule fuhr. Wenn wir im Taunus Oma Helene besuchten, wünschte ich mich auf den Türkenmarkt am Maybachufer. Oder auf den Hermannplatz.
    The Wiebkes and the Klauses wollten stets an möglichst entlegene Orte fahren, weil sie »die Großstadt« jeden Tag um sich herum hatten. Wir endeten auf einer niederländischen Insel in kargen Ferienapartments, die meilenweit vom Meer entfernt waren und von deren kleinen Fenstern aus man nichts weiter sah als Wiesen, Schafe und noch mal Schafe. Oder wir hockten bei Nieselregen sechs Wochen in einem kleinen skandinavischen Holzhaus, in dem wir uns gegenseitig auf den Wecker gingen, weil wir dort viel weniger Platz hatten als zu Hause. Wiebke und Klaus taten im Urlaub nicht viel anderes als sonst: Zeitung und Bücher lesen, Nachrichten hören (Wiebke verstand ja die meisten skandinavischen Sprachen), die Augen verdrehen, jammern. Im Urlaub sprachen sie davon, wie sehr sie den »Rummel« in Berlin satthatten und die vielen blöden Leute, die »immer etwas von einem wollen«, aber in Berlin bekam man einen anderen Eindruck: Kaum einen Rummel ließen sie aus.
    Andere Kinder lernte ich im Urlaub fast nie kennen. Abends stiefelten wir durch kleine Dörfer, um »ganz authentische« kleine Restaurants zu finden. Das scheußlichste Essen fanden Wiebke und Klaus großartig, Hauptsache, es kam »aus dieser Gegend«. Aber ich wollte so gern mal in den Süden fahren, am liebsten mit Freunde n – bloß mit wem? Fiona flog mit ihrer Mutter immer nach Griechenland oder Portugal, da kannten sie Leute, die sie einluden, oder sie trafen sich dort mit anderen Familien aus Berlin. Anna hatte Wiebke und Klaus schon einmal gefragt, ob wir mitkommen wollten, aber Wiebke und Klaus riefen mit schlecht gespielter Enttäuschung: »Wir haben leider schon ein Quartier auf Öland gebucht!« Und wieder saßen wir in einem skandinavischen Holzhaus auf einer Insel, wo es die ganze Zeit regnete und wir Abend für Abend Mensch ärgere dich nicht spielten.
    Auf dem Hin- und Rückweg zu unseren einsamen Quartieren übernachteten wir stets in »interessanten Städten « – natürlich nie in einem »gesichtslosen Hotel«, sondern immer in »kleinen Pensionen«. Sie schafften es stets, uns »mitten in der Altstadt« einzuquartieren. Falk und ich hatten von klein auf gelernt: Altstadt bedeutet nichts Gutes. Römische Steinquader, halb zerbröselte Säulen, rumpelige Stadtmauerreste, endlos viele muffige Kirchen. Das einzige Gute an dieser Etappe unserer Reisen war, dass sie wirklich glücklich aussahen, wenn sie Hand in Hand vor irgendeinem Portal standen. Wiebke und Klaus machten Fotos von diesen Portalen, Falk und ich machten »Glückliche Eltern«-Fotos.
    Morgen um neun würde Wiebke uns wecken. Sie würde darauf

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