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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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man auch nur seine eigene Scheiße nach außen.«
    Ich starrte Falk an. Edgar hatte offenbar auch nicht mit solch einem Angriff gerechnet. Seine Augen traten hervor wie bei dem Basedowschen Kranken in dem alten Medizinlexikon, das ich mir letztens auf dem Flohmarkt gekauft hatte. Einen Moment lang hatte ich Angst, dass Edgar sich mit meinem Bruder prügeln würde. Doch Edgar stand nur mit viel Geklingel und Gerassel auf. »Du halt doch bloß dein Maul, Weichhirn, Kifferbirn e …«, murmelte er noch. Als die Tür ins Schloss fiel, hörte ich seine Mutter tuscheln: »Wir hoffen, dass sich das noch auswächs t … Er ist ja erst sechzehn. Immerhin hilft er uns viel im Garten.«
    Als nach dem Erdbeerkuchen noch Birne Helene serviert wurde (ob das Wiebke wohl schmeckte? Falk und ich warfen uns Blicke zu), passte kaum noch etwas in meinen Magen. Ich schaffte nur die halbe Birne, doch der hungrige Falk nahm sich gern meiner Reste an. Während Kaffee und Tee serviert wurden, ergriff ein Redner das Wort, ich vermutete, ein weiterer Bruder meines Vaters. Er gratulierte dem »lieben Ulrich« und erzählte von aufregenden Kriegstagen, die sie im Bunker verbracht und Schulstreichen, die sie gemacht hätten, und es klang, als wäre ihr ganzes Leben, inklusive Krieg, ein einziges Späßchen gewesen. Alle lachten in einem fort, nur wir konnten nicht mitlachen, weil wir die ganzen Familienanekdoten nicht kannten. Während alle vor sich hingackerten und sich zuzwinkerten, war ich das erste Mal traurig darüber, dass ich die ganze Familienbande nie kennen gelernt hatte, dass Falk und ich gar keine Wahl hatten zu entscheiden, ob wir »kleine Monster« sein wollten oder nicht.
    Nach dieser Rede wurden noch mehrere andere gehalten. Alle Geschwister von Ulrich hatten irgendetwas vorbereitet, zeigten Super-Acht-Filme, ließen ihre Kinder auf der Blockflöte »Happy Birthday« spielen oder kurze Reime aufsagen, über die alle lachten. Sogar Edgar war auf einmal wieder aufgetaucht und erfreute Onkel Ulrich mit einem Film, der nichts anderes zeigte als einen sehr laut knatternden roten Rasenmäher in Nahansicht. Onkel Ulrich traten beim Anblick dieses Films Tränen vor Rührung in die Augen, er umarmte Edgar: »Junge, was hast du dir Mühe gegeben.«
    Nur wir hatten nichts vorbereitet, aber niemand warf uns fragende Blicke zu. Keiner schien zu erwarten, dass wir etwas zum Besten geben würden.
    Danach verteilten sich die Leute auf mehrere Zimmer und im Garten. Linda fragte Falk und mich, ob wir Lust hätten, »weg von den alten Herrschaften« einen Stock höher in ihre Wohnung mitzukommen. Schließlich saß ich mit Linda, Rainer, Uwe und Ulrike auf Lindas riesigem bordeauxfarbenen »Kuschelsofa«, wie Linda es nannte. Linda hatte vor einer Woche ein Hüpf mein Hütchen -Spiel zum Geburtstag gekommen und freute sich, es mit uns »einweihen« zu können. Falk hatte sich schon verzogen.
    »Yippie«, schrie mein Cousin Uwe und deutete auf sein rotes Hütchen. Er machte eine Ausbildung zum Bankkaufmann, und gab zu jedem Thema kurze, knappe Antworten, die vermutlich forsch wirken sollten. Er hatte ein kläffendes Lachen und zwickte mich mit einer Selbstverständlichkeit in die Seite, als ob ich sein Teddybär sei. Wenn der wüsste, wie bekloppt ich ihn fand, würde ihm das Zwicken schon vergehen. Seine Dagobert-Duck-Krawatte mit dem Sprungbrett und dem Haufen voller Geld, in den Dagobert eintauchte, fand ich kein bisschen witzig. Manchmal tat er so, als würde er mit Dagobert reden, und zwinkerte mir dabei zu.
    Ich betrachtete Linda von der Seite, als sie aus der Spielanleitung vorlas. Wie das sein musste, mit neunzehn verheiratet zu sein? Ich war vierzehn, das wäre also in fünf Jahren. Ob ich mich dann auch zu alt für Popmusik fühlen würde?
    Nach der ersten Runde Hüpf mein Hütchen machte ich nicht mehr mit und schaute mich bei Linda um. Ihr ganzes Wohnzimmer stand voll mit Harlekinpuppen, denen eine Träne an einer Wange klebte. In einer Vitrine standen ein paar Sektgläser mit schwarzem Stiel und ein Glaselefant mit glitzernden rosafarbenen Augen. Bücher hatte sie kaum, aber ich entdeckte unter einem Stapel Zeitschriften einen Atlas. Vorsichtig zog ich ihn unter dem Stapel hervor, wobei ich Linda fragte, ob ihr das recht sei.
    »Na-tür-lich, fühl dich wie zu Hause. Ich meine, du musst ja nicht gleich die Wände anmalen.«
    Ich blätterte im Atlas. Endlich fand ich die Deutschlandkarte. Hier also war Paderborn. Eigentlich hatte ich es

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