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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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wollte Falk wissen.
    »Weit, ihr Berliner habt da natürlich ganz andere Dimensionen, für euch ist ja alles weit weg!« Ulrike lachte überlegen und zog ihr Kostüm zurecht.
    »Nein, Hannover nicht«, sagte Falk kurz, und Ulrike schreckte auf. »Weißt du überhaupt, wo Berlin liegt?«, fragte Falk, und ich entdeckte etwas Lauerndes in seinem Blick.
    »Willst du mich verarschen, oder was?« Ulrike ging zum Gegenangriff über.
    »Nein, ich meine das ernst, ich treffe ab und zu Leute, die keine Ahnung haben, wo Berlin liegt. Meist kommen sie nicht aus New York oder Melbourne, sondern aus dem Saarland, dem Rheinland, Schleswig-Holstein, Niedersachse n …« Falk sah sie ruhig an. Er liebte es, andere zu provozieren. Vampire leben vom Blut anderer Menschen, Falk davon, sie einfach nur zu ärgern.
    »Wi e … was willst du, soll ich dir die Längen- und Breitengrade aufsagen? Die hab ich nicht drauf!«
    »Nein, sag mir nur, liegt Berlin näher an Warschau oder an Hamburg?«
    »Blöde Frage«, Ulrike lachte und sah Falk mit zurückgelegtem Kopf an, »natürlich an Warschau, ist ja schließlich im tiefsten Osten.«
    »Falsch!«, schmetterte Falk. »Von Berlin nach Hamburg sind es drei Stunden mit dem Auto, höchstens, und nach Warschau mindestens sechs, nach Krakau acht!«
    Ulrike schüttelte den Kopf, sie ließ sich wirklich nicht schnell aus der Fassung bringen. »Schau mal in einen Atlas, Kleiner, bevor du dich so aufspielst!«
    Falk kochte, ich merkte es. »Wollen wir wetten?«
    Ulrike winkte ab. »Ich gehe jetzt essen, die Suppe kommt jeden Moment«, damit verließ sie unseren Tisch.
    Unsere anderen Cousinen und Cousins warfen sich nach diesem Zwischenfall sichtlich beunruhigte Blicke zu. Zum Glück wurde die Suppe serviert, so dass alle erst einmal beschäftigt waren. Man konnte über die Familie meines Vaters sagen, was man wollte, aber nicht, dass sie nicht kochen könne. Es schmeckte herrlich, in Berlin aßen wir nur Nudeln mit Tomatensoße oder Reis mit Tomatensoße, ich übertrieb, immerhin hatte Wiebke ja ihren Römertopf für Gemüseeintöpfe, aber irgendwie aßen wir immer zwischen Tür und Angel, und die Auswahl bei Aldi war auch begrenzt. Anna und andere Freundinnen von Wiebke kauften im Reformhaus ein, aber Wiebke fand das Unsinn. Ihrer Meinung nach waren Luft und Wasser doch überall verschmutzt und ökologisch erzeugte Lebensmittel schlicht ein Verbraucherbetrug. Darüber war sie mit ihren Freundinnen in Streit geraten, die den Kopf schüttelten und sich über sie wunderten. Meine merkwürdige Mutter, die Grün wählte, aber Ökoläden für zu teuer hielt und lieber zu Aldi marschierte. Klaus dagegen würde gern »besser« essen, doch da setzte sich Wiebke einfach durch. Trotzdem merkte ich, dass er ungern in seinen Anzügen und schicken Krawatten zu Aldi lief (geschweige denn zu Erwin und Karl) und diesen Job gern Falk oder mir überließ.
    Auf einmal hoben alle ihre Köpfe, auch Falk und ich sahen in Richtung Tür. Da stand ein Typ, den ich noch nie gesehen hatte, mit fahrtenmesserhohem Irokesen in Knallrot. Er trug eine schwarze Lederjacke, die über und über mit Buttons wie mit Orden übersät war. Edgar! Erst jetzt erkannte ich meinen Cousin. Edgar nickte uns erfreut zu, was mich überraschte, denn bei unserem letzten Treffen vor vier Jahren hatte er Falk und mich nur hin und wieder scheu angeschaut. Selbstbewusst blickte er zu uns herüber. »Die Berliner!«
    Es war still im Raum, als er sich mit lautem Knarren einen Stuhl über den Boden zu uns hinüberzog und sich an den Tisch setzte.»Na, wie läufts so in Berlin?« Edgar sah uns erwartungsvoll an. Dann fasste er ohne Scheu in Falks schwarzgefärbte Haare: »Alle Achtung.«
    Falk wirkte verunsichert.
    »Was läuft so bei euch?«, wollte Edgar wieder wissen.
    »Ac h … was soll schon laufe n …«, murmelte Falk.
    »Oranienstraße, Kreuzberg, ist doch voll was los bei euc h – Demos, Kacke am Dampfen und so! Berlin, die Rebellenhochburg Europas!«
    Hm, stimmt, das hatte ich schon mal in der Zeitung gelesen. Falk zuckte die Schultern, es war ihm sichtlich peinlich, nichts Richtiges zu bieten zu haben.
    »Und, geht ihr mit auf die Demos und so?«, fragte Edgar.
    Ich dachte an Falks Hochbett und meine Kakteensammlung. Und unseren Hinterhof, in dem wir Dosen kickten, auf dem Mäuerchen hockten, tranken und dabei Tauben beobachteten. Nicht gerade beeindruckend. »Äh, wir waren auf der großen Anti-Reagan-Dem o …«, fiel mir jetzt zum Glück

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