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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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ein.
    Ein kleiner Hauch von Anerkennung glitt über Edgars Gesicht, es war aber klar, dass wir damit nur die allererste Eingangspforte überwunden hatten.
    Falk warf mir immerhin einen zufriedenen Blick z u – endlich hat meine kleine Schwester mal im richtigen Moment das Richtige gesagt, schien er zu besagen.
    »Mit unseren Eltern«, fügte ich wahrheitsgemäß an. Falk verdrehte die Augen. Edgar lachte. »Na, super. Mit euren Eltern. Bist du auch schon mal allein auf ’ne Demo gegangen?«
    »Na kla r …« behauptete ich, was aber ohne nähere Ausführung wenig überzeugend wirkte. Falk hätte seine Teilnahme an der autonomen Demo als Heldentat darstellen können, war aber gerade damit beschäftigt, sich eine zu drehen, was ihn offenbar so in Anspruch nah m – vielleicht feilte er ja an seiner Kleinen Philosophie der Selbstgedrehten –, dass er nichts mehr zum Gespräch beisteuerte.
    Schließlich beschloss ich, allein und auf mich gestellt, die Flucht nach vorn. »Ich interessiere mich eher so für Natur«, brachte ich schließlich hervor. »Ich gehe gern ins Naturkundemuseum, da gibt’s ganz tolle Sachen. Saurierskelette zum Beispiel. Ich schwänze sogar manchmal die Schule, um in so’n Museum einfach so vormittags reinzugehen.«
    Edgar hörte mir nicht mehr zu. Er hatte etwas von einem stolzen Patriarchen aus dem 19 . Jahrhundert, vielleicht einem kalifornischen Eisenbahnbaron oder Ölmagnaten, der seine Untergebenen über alles ausfragte und ihr Gewissen überprüfte. Sein Selbstbewusstsein war frappierend. Breitbeinig fläzte er sich am Tisch, bohrte mit einem Finger in das Stück Erdbeertorte auf seinem Teller und leckte dann den roten Finger ab.
    »Was hörst’n für Musik?«, wollte Edgar von Falk wissen. Ich konnte Falks Gesicht jetzt besser erkennen, weil Edgar mir vollends den Rücken zugewandt hatte. Falk seufzte auf, dann murmelte er betont abwesend: »No Wave, Dark Wave, so’n Zeug.«
    »Allerdings, und zwar rund um die Uhr«, hätte ich gern angefügt.
    »Ach, so Gruftiekram, bist so’n Gruftie, ja? Ihr lebt da aber auch irgendwie auf’m völlig anderen Film, oder?«
    Falk ging in Verteidigungsstellung. »Also, Dark Wave wurde letztens sogar auf der Demo gespielt, die am Kotti vorbeizo g … Das ist echt stark, keine Mädchenmusik!«
    Ich hörte wohl nicht recht. Jetzt kicherten die beiden auch noch.
    »Was hört denn deine Schwester so?«, fragte Edgar und musterte mich von Kopf bis Fuß. Falk beugte sich nach vorn und flüsterte Edgar etwas in sein gepierctes Ohr. Dann lachten beide. Ich lehnte mich blitzschnell über den Tisch, hackte mit meiner Gabel auf Falks Teller und spießte seine beiden letzten Kartoffeln auf.
    Falk winkte nur ab: »Glaub bloß nicht, dass du mich ärgern kannst. Die wollte ich eh nicht mehr essen«, behauptete er. Was natürlich nicht stimmte. Falk würde es noch bereuen, dass er sich mit diesem Protz-Iro solidarisiert hatte anstatt mit mir. Schon ging es in die nächste Runde: Edgar holte Flugblätter aus seiner ausgebeulten Jackentasche hervor. Er fragte Falk nach irgendwelchen politischen Gruppierungen a b – lauter Kürzel, die mir nichts sagte n – meinem Bruder auch nicht. Am Anfang legte er noch die Stirn in Falten und nickte ein paar Mal wie ein Greis, der versucht, eine ferne Kindheitserinnerung heraufzubeschwören, doch er wirkte immer verwirrter.
    Edgar schüttelte wieder den Kopf. »Verteilt das mal bei euch da in Berli n – aber nicht nur auf eurem Hinterhof!« Edgar lachte und konnte sich nicht mehr halten vor Lachen. »Ich stelle mir euch so auf eurem Sperrmüllhof vo r … Die Fotos, die wir von euch haben, unglaublich, wie ihr wohnt; der ganze Hof voller Gedöns von diesen beiden komischen Künstler n … voll verschnarcht.«
    Ich wusste nicht, was daran so lustig sein sollte. Immerhin sagte er »euch« und machte sich nicht nur über mich allein lustig. Falk runzelte die Stirn. Mit seiner kleinen Schwester in einem Atemzug aufgezählt zu werden, missfiel ihm sichtlich. »Ich stelle mir dich so in diesem Kaff vor«, brachte Falk schließlich hervor.
    »Und?« Edgars Blick bekam etwas Aggressives.
    Falk lächelte süßlich. Wut anderer Leute schüchterte ihn nicht ein. »So ganz allein auf ’ner Parkbank, ’ne Oma traut sich nicht, sich neben dich zu setzen. Das findest du toll. Dann scheißt dir ’ne Taube auf deinen Stachel. Damit haste nicht gerechnet. Die Scheiße kommt nämlich immer woandersher, als du denkst. Und manchmal projiziert

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