Hausers Zimmer - Roman
warm.
»Schon gut.« Steffen war mir sympathischer als dieser Mund. Kaum hatte ich diesen Gedanken gefasst, ergriff das Mündchen wieder Besitz von mir. Kletterte herum, knabberte, leckte, biss, war mit sich und seinen Eindrücken beschäftigt. Ich blickte derweil auf Steffens zitternde Füße am Ende der Couch. Die Gänsehaut an seinem ganzen Körper. Der kleine kalte Mund wanderte weiter. Über meinen Bauchnabel. Den konnte er nicht überqueren, ohne einmal kurz, aber zu fest die Zunge hineinzustecken.
Dann waren da Hände. Lang, dünn und ebenfalls kalt glitten sie über meinen Körper. Kalte Fingerkuppen überall. Ich versuchte mich wegzudrehen. Aber Steffen hing über mir, seine spitze Hüfte bohrte sich in meinen Bauch. Und etwas anderes, Hartes, Unnachgiebiges drängte an meinen Körper. Pionier, Flagge hissen, Duftmarke hinterlassen, allein im neuen Land. Plötzlich blickte Steffen auf und schaute mich lange an. »Julika, ic h – bi n – s o – glücklich.«
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Warum war ich nicht einfach nach dem Essen gegangen? Ich hätte auf meine innere Stimme hören sollen. Mir gefielen Steffens Haare nicht, aschblond und zu kurz geschnippelt, die weiße, talgige Kopfhaut darunter. Er roch merkwürdig, nach seinen Anzügen, wenn ich diesen Geruch beschreiben könnte, würde ich sagen: staubig.
»Küs s – mich«, flüsterte er jetzt. Skeptisch blickte ich auf die schmalen Lippchen über mir. Schon klebte sein Mund wieder auf meinem. Dann fing Steffen an, mit seiner Zunge wild in meinem Mund herumzurühren, er hörte gar nicht mehr auf. Steffen und ich wanderten mit Eastpak-Rucksäcken nach Feuerland, während unsere Münder hier Gymnastik trieben. Ich rieb den kalten Schweiß meiner Hände an das dunkle Bettdeckengewölk, dann setzte ich mich abrupt auf.
»Ich glaube, ich muss jetzt schlafen, tut mir leid, der Rotwein, mir ist nicht gut.«
»O ehrlich, warum hast du denn nicht s … Ich hab so Kohletabletten im Ba d …« Steffen war so groß, dass er neben mir fast von der Couch fiel.
»Nei n … ich glaube, ich nehm’ mir ein Taxi und fahre nach Hause.«
»Willst du denn nicht hier bleiben? Dann musst du nicht mitten in der Nacht rau s … und ich bin bei dir!«
»Ic h … tut mir leid, ich kuriere mich am besten allein.« Ich suchte im Dunkeln meine Klamotten.
»Soll ich dir helfen?«, fragte Steffen sofort. Er blickte sich im Zimmer um. »Gott, sieht das hier aus!«, sagte er sichtlich zufrieden in die Stille. Schmunzelnd deutete er auf meine überall verstreut liegenden Kleidungsstücke. Als hätte er sie mir wild vom Leib gerissen. Mir blieb nichts anderes übrig, als meine Siebensachen einzusammeln und anzuziehen, wobei Steffen mir plötzlich schmachtende Blicke zuwarf.
»Julikaa«, sagte er plötzlich, mit Betonung auf der letzten Silbe. Ich befreite eine Socke von anthrazitfarbenen Flusen. Endlich stand ich in der Tür, da war Steffen schon wieder ein Häufchen Elend. »Ist dir wirklich nicht gut? Oder ist es etwas anderes?«
»Lass mal, wir reden morgen darüber.«
»Es ist also etwas anderes? Julika, bitte, was ist?«
Jetzt tat er mir leid. »Nein, Steffen, mir ist kotzübel von diesem Wein un d …«
»Und?«
»Und den Rest bereden wir ein anderes Mal.«
»Julika, es ist also doch etwas. Habe ich etwas falsch gemacht? Bitte, sag es mir, ich kann sonst nicht schlafen.«
»Ich will jetzt gehen.«
»Julika, bitte!« Steffen umfasste mich mit festen, kalten Fingern.
»Dräng mich doch nicht weite r … Merkst du nicht, dass es mir wirklich nicht gutgeht und ich Ruhe brauche?«
»Ja, natürlich, ich bin ein totaler Egoist, es tut mir so leid! Soll ich dir ein Taxi rufen?«
»Ja, bitte.«
Steffen hastete zurück in den Flur, raschelte in einem Adressbuch, wählte. Der Würfelfunk. »Kommt in fünf Minuten!«, rief Steffen mir stolz über die Schulter zu.
»Okay, dann gehe ich schon mal runter.« Während ich die ersten Stufen nahm, kehrte langsam Energie in mich zurück.
»Warte doch! Ich begleite dic h – ich lass dich doch nicht da draußen allein auf der Straße stehen!«
Auch das noch. »Steffen, das ist nicht nötig, du musst dich nicht extra anziehen!«
Zu spät. Schon stand Steffen in schwarzem Rolli und grauer Hose vor mir. Dann fiel ihm ein, dass er noch keine Schuhe anhatte. Am Ende verpasste ich deshalb noch meine Taxe. Endlich gingen wir die Treppe hinunter. Steffen legte von hinten eine große Kralle auf meine Schulter.
»Rotwein
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