Hausers Zimmer - Roman
seine Stimme, seine Art zu reden, zu denken, ich konnte den ganzen Steffen einfach nicht mehr ertragen. »Ja, lass mich einfach ’ne Weile in Ruhe«, stieß ich hervor. Ich wollte eigentlich etwas Netteres sagen, in der Art, wie sehr ich unsere Freundschaft schätzte und dass es mir leid tat, dass ich mich so verletzend verhielt, aber ich brachte es nicht über mich. Wahrscheinlich tat es mir nicht wirklich leid.
»Oka y … nur damit du es weißt, es geht mir nicht besonders gut. Was auch immer du mit diesem Wissen anstellst, bleibt letztendlich dir überlassen.« Er legte auf.
Ich schlenderte auf den Balkon, widmete mich voller Hingabe einem Agavenableger.
Als ich zurück in den Flur ging, hing bei Falk Geöffnet . Na so was! Ich lief in sein Zimmer, kletterte die Leiter zum Hochbett hinauf. Patti Smith dröhnte mir entgegen. Falk sah mich verdutzt an. »Was machst’n du hier?«
»Wieso? Bei dir hing Geöffnet .«
»Ach Scheiße, hab ich vergessen umzudrehen.«
Ich hätte Falk gern von meinem Telefonat mit Steffen erzählt. Aber er warf mir einen grimmigen Blick zu und legte Anne Clark auf. Seufzend kraxelte ich die Hochbettleiter herunter.
» Ad meliorem «, rief Falk mir noch hinterher. Angebe r …
Hommage an Käthe Kollwitz – Römertopf
Am nächsten Tag stand der Olk bei uns in der Wohnung, als ich von Erwin und Karl zurückkam. Den Zeitpunkt für einen Überfall hatte er sehr günstig gewählt: Im Hochsommer fanden weniger Kulturveranstaltungen statt, und meine Eltern waren etwas weniger ausgelastet als sonst.
Als ich Wiebkes Einkaufstaschen in die Küche zurückbrachte, breitete der Olk gerade einige Zeichnungen auf dem Boden unseres Berliner Zimmers aus. Klaus warf mir einen verzweifelten Blick zu.
Der Olk bezog mich gleich mit ein. »Kiek ma’, Julika, ick aabeete uff dem Jebiet Zeichnung.« Dann, zu Klaus: »Dit is’ wie’n Mangold und dit is ’ne Art Sol LeWitt. Und dit is’ wie Imi Knoebel, kann ick in alla Bescheidenheit sagen. Dit andre is’ne Hommage an Nam June Paik. Und dit is meene Hommage an Baselitz. Ick hab da ’ne Lücke in sei’m Werk jesehe n … die schräje Phase.« Der Olk sah uns fest an. »Die fehlte, bevor er anfing, allet uff’n Kopp zu drehen. Dit is echt’n missing link , wat ick da jefunden ha b … Da hab ick so uff de Schräje jemal t …«
»Verstehe, verstehe«, flüsterte Klaus nur.
Der Olk öffnete jetzt einen Army-Rucksack, was Klaus mit einer hilflosen Geste abzuwehren versuchte, und holte ein paar Steine heraus. Dann legte er sie in Kreisform auf den Boden. »Und di t … is ’ne neue Steinjeschichte von Robert Lon g …«
»Richard Long«, verbesserte ich automatisch. Klaus nickte mir anerkennend zu. Mein Vater liebte Richard Long. Er sagte, seit er die Arbeiten von Richard Long kenne, sei er auf eine neue Weise religiös geworden.
Ich betrachtete nun den Steinkreis im Taschenformat. Die Steine waren aus dem Rattenloch, ich erkannte sie an den farbigen Kratzerspuren von Legosteinen und den dunklen Flecken, an denen Moos geklebt hatte. Eigentlich gefiel mir die Olk-Arbeit. Hm, Klaus sprach sich doch immer für Meinungsfreiheit aus und Toleranz der Menschen untereinande r … Vielleicht würde er mir ja vergeben können. »Klaus, das gefällt mir eigentlich, ech t …«
Klaus’ Miene wurde starr, nur seine Augen weiteten sich.
Der Olk lächelte mich an. »’n Jeburtstachsjeschenk für Ihre Tochta.«
Nun schwieg ich erschrocken. Ich sah mich nicht jeden Morgen, wenn ich aus dem Bett stieg, über diesen Steinkreis stolpern. Auch wenn ich die Steine mit den bunten Kratzern hübscher als die von Richard Long fan d – Original hin oder her. »Nein, ä h … das passt nicht s o …«
Klaus schien erleichtert und schickte mir ein komplizenhaftes Lächeln.
»Und dan n – Hommage an Penck. Janz neue Sache.«
Klaus seufzte und nickte. Die Arbeit wies gewisse Ähnlichkeiten zu einem Penck auf. Wenn der Olk als Künstler weiterhin keinen nennenswerten Erfolg hätte, könnte er sich zumindest als Kunstfälscher verdingen. Schon öffnete der Olk eine neue Mapp e – »dit Jebiet der Radierung«.
Klaus hob abwehrend die Hände, er sah aus wie einer, der vor einem Erschießungskommando steht, aber der Olk kannte keine Gnade. »Hier bin ick janz realistüsch jeworde n … Hommage an Käthe Kollwitz. Hier, der verfrorene Herr Kanz im Hof uff sei’m Mäuerchen mit jroßen dunklen Ooge n …«
Doch in diesem Moment stand Wiebke im Berliner Zimme r –
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