Hausers Zimmer - Roman
ersehnte Stakkatoklingeln an unserer Tür. Isa war aus Tunesien zurückgekommen. Wir umarmten uns.
»Und, wie war’s?«, fragte ich sofort. Isa zuckte die Achseln. Sie sagte erstaunlicherweise gar nichts, als wir den langen Weg von der Haustür in die Küche gingen.
Erst als wir in meinem Zimmer saßen und Jasmintee tranken, rückte sie mit der Sprache heraus. Ihre Mutter und sie würden demnächst nach Düsseldorf ziehen. Frau Hülsenbeck hatte einen guten Job in der Rechtsabteilung irgendeiner Firma angeboten bekommen. Die »Juristerei« in Berlin, wo sie sich ständig mit in ihren Augen erziehungsgeschädigten Krawallis beschäftigen musste, war sie leid. »Die Fälle überlasse ich lieber meinem Exmann«, hatte sie letztens auf der Treppe zu Wiebke gesagt.
»Wie viele Stunden fährt man denn nach Düsseldorf?«, wollte ich wissen. Isa antwortete nicht und fing an zu weinen. Mir war klar, dass ich nicht der einzige Grund für ihren Kummer war. Endlich wurde sie von den Jungen aus der Oberstufe zu Partys eingeladen, durfte Joshua auf dem Hof Zigaretten reichen oder Feuer gebe n – da musste sie weg. Ich versuchte sie damit zu trösten, dass ich Joshua letztens mit einem anderen Mädchen zusammen vor dem Kino die kurbel 2 gesehen hatte. Aber so ein richtiger Trost war das nicht. Sie hatte überhaupt keine Lust, aus Berlin wegzuziehen.
»So toll ist es hier doch auch nicht«, machte ich einen halbherzigen Versuch.
»Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, nicht mehr in Berlin zu wohnen, in so ’ner ganz normalen Stadt. Wenn man sagt, man kommt aus Berlin, ist man doch imme r … so’n bisschen was Besonderes.«
»Ach, komm, immerhin ist Beuys in Düsseldorf.«
»Du redest ja schon wie dein Vater. Was hab ich denn davon, dass Beuys in Düsseldorf ist?«
»Du übrigens auch immer. Ich meine ja nur, Beuys ist halt nicht ganz normal.«
Später erzählte ich Wiebke von der Chose, und es stellte sich heraus, dass The Wiebkes and the Klauses schon vor der Bretagne von Frau Hülsenbecks Plänen wussten. Aber mir nichts gesagt hatten, um mir nicht den Urlaub zu verderben.
Als Isa ging, setzte ich mich allein mit einem Glas TriTop in die Küche und starrte aus dem Fenster. Es klingelte. Routiniert machte ich Slalom um den Sprechenden Waschlappen , die Boat People und das Denklöcherding, griff nach dem Hörer unseres Uralt-Telefons vom Trödelmarkt.
Es war Steffen. Er klang ziemlich aufgelöst. »H i … Julika, wir haben uns seit fünf Tagen nicht mehr gesprochen, ich hab ein paar Mal angerufen, aber da war nie jemand da oder deine Mutter war dran. Wie geht’s dir denn?«
»Danke, gut, viel zu tun.«
»Viel zu tun? Sind doch Ferien!«
»Ja, aber es gibt ja auch andere Dinge außer Schule.«
»Aha, ja klar, äh, was machst du denn so?«
»Lesen, malen, mich um meine Pflanzen kümmern, bin gerade sehr beschäftigt. Habe gestern einen Ausflug gemacht.«
»Ja, wohin denn? Mit deiner Familie?«
»Nein, allein. Urlaub in Berlin, bevor die Schule losgeht.«
»Du kannst mich ruhig mal anrufen, wenn du so’n Ausflug machs t …«
»Ich weiß, aber ich bin im Moment nicht in der Stimmung, viele Leute zu sehen. So bin ich eben. Es reicht mir schon, bald wieder jeden Tag in der Schule lauter Leute um mich zu haben, und zu Hause latscht jeder in mein Zimmer, als sei’s ’ne Fußgängerzone.«
»Meinst du das ernst, Julika? Du wills t … Also wir treffen uns jetzt nur noch in der Schule?«
»J a …« Ich war froh, es gesagt zu haben. Am anderen Ende der Leitung war es still. Ich hatte solch eine Abneigung gegen Steffen entwickelt, dass ich nicht einmal mehr seine Stimme am Telefon hören mochte.
»Julika, ich glaube, ich hab irgendwas falsch gemacht, ich mein e … Bis zum Freitag war alle s … okay zwischen un s … und jetz t … willst du auf einmal allein sein.«
»Ja.«
»Julika, ic h … Es geht mir nicht gu t …«
Ich schwieg. Ich hörte, wie am anderen Ende der Leitung tief Luft geholt wurde. »Ich hätte mir denken sollen, dass sich deine kompromisslose Art eines Tages gegen mich wenden wird.«
Ich schluckte, so schnell fiel mir keine Antwort ein. Steffens gemeißelte Sätze. Ich überlegte. Schließlich seufzte ic h – das war auch eine Antwort.
»Ic h … ich will dich ja nicht drängen oder unter Druck setzen, aber vielleicht brauchst du einfach etwas mehr Zeit für alle s … Überleg’s dir einfach. Ich bin da, Julika.«
Er war ja nicht ungerecht oder unmöglich, aber ich konnte
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