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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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das sehen würd e – die Ziervögel bei ihrer Mutter im trauten Taunus-Heim hasste Wiebke nämlich.
    Klaus und Wiebke waren vollends beschäftigt, Falk und ich konnten also verschwinden. Die Gemälde an den Wänden waren fast alle riesig, die Farben düster oder auf eine geradezu schmerzhafte Weise knallig. Wir warfen uns stirnrunzelnde Blicke zu, als wir von Raum zu Raum liefen. Leider war es so voll, dass man gezwungen war, sich die mehr oder weniger schlauen Kommentare anderer Leute zu den Bildern anzuhören.
    »Sehr sinnlich, sehr sinnlich«, hörte ich einen Typ, der wie Karl Marx aussah, über einen dicken Frauenleib mit Spatzenkopf sagen.
    Je länger ich durch die Ausstellung schlenderte, desto mehr fiel mir auf, wie viele Gemälde das Wort »Nacht« im Titel trugen. Die wilde Gestik, in der die meisten ausgeführt waren, konnte das Apokalyptische nicht aufheben, sondern unterstrich es eher noch. Hier wurde kein stiller Untergang beschworen, sondern ein lärmender. Jörg Immendorffs Nachtwache , Dieter Hackers Die Nacht , Walter Dahns Nacht(t)krieg und sein Kettenraucher aus dem gleichen Jahr. Bei Jonathan Borofskys wie ein schwarzer Geist in einem Saal schwebendem riesigen Mann mit Aktenkoffer musste ich an die grauen Männer aus Michael Endes Momo denken, Falk fand Rainer Fettingers 2 Harrisburger richtig witzi g – zwei Atomreaktoren, die etwas von Whoppern hatten: Auf einem prangte ein Hakenkreuz und aus dem anderen schielte Hitler. Gilbert & George erschienen im Vergleich dazu mit Gute Nacht und Deatho Knocko , einem seltsamen Gemälde mit kleinen Rittern und riesigen schwarzen Insekten wie aus einem Horrorfilm, ungewöhnlich ernst. Anselm Kiefers verkohltes Feld Nürnberg und Weltasche , Bernd Koberlings rauchendes Inferno namens Vulkanischer Raum III mit grauen und schwarzen Rauchsäule n – auf vielen Bildern sah es aus wie nach einem Dritten Weltkrieg. Hoffentlich stimmte es nicht, was Klaus und Wiebke gern über Künstler als »Propheten« sagten. Für Klaus, der mit den Händen in den Hosentaschen Bild für Bild abschritt, schlossen sich diese Aftermath-Bilder »fast logisch an diese Evokationen eines kalten Kriegs« an.
    Nun bauten Falk und ich uns mit wichtigen Mienen vor Sigmar Polkes Vermessung der Steine im Bauch des Wolfes und das anschließende Zermalmen der Steine zu Kulturschutt auf. Falk wog den Kopf bedächtig und leckte sich über die Lippen. »Der Titel ist gut, aber die Ausführung erbärmlich«, seufzte er.
    »Naja, am Ende soll’s doch Kulturschutt sein!«, versuchte ich Polke in Schutz zu nehmen. Falk blickte erst gar nicht nach unten zu mir. Ich suchte Klaus, weil mich seine Meinung interessiert hätte, aber der verharrte wieder andächtig vor Weltasche . Neben ihm stand ein in behaglichem Gruseln aneinandergekuscheltes Pärchen in langen schwarzen Mänteln.
    Als ich nun Falk gestand, dass mir Salomés bunter Mit-dem-Strom-Schwimmer in der Serie Zeitgeist wegen seiner schönen Farben und dem netten Nebeneinander aus tausend Körpern und Wellen am besten gefiel, meinte er nur, ich Dummkopf sei dem Bild auf dem Leim gegangen, würde die Ironie nicht kapieren. Vielleicht, vielleicht auch nicht, was wusste Falk schon. Mir taten langsam schon die Füße weh.
    Jetzt kam mir Patrizia, die Tochter von Freunden von Wiebke und Klaus, entgegen. Sie war nett und musste nicht immer angeben, wie viele Töpfer-, Hinterglasmalerei-, Zeichen- und Malkurse, oder was es sonst noch so gab, sie schon besucht hatte. Doch kaum hatten wir ein paar Worte gewechselt, wurde sie leider schon von ihren Eltern weggeschleppt, um einem Mann mit langen weißen Haaren unter einem riesigen Filzhut und mit einem bodenlangen magentafarbenen Umhang vorgestellt zu werden. Und dann stand der Hauser vor mir. Er trug zu meiner Überraschung einen weißen Anzug und hatte seine Haare zum Zopf gebunden. Ich starrte ihn an, er nickte kurz. An seiner Seite befand sich die Frau, die ich bisher immer nur nackt gesehen hatte. Sie trug ein schwarz-rotes Kostüm, knallige Farben, sehr cool, und dazu passende Plastikohrringe in Dreiecksform. Die hatte sich ja ins Zeug gelegt.
    Ich stieß Falk in die Seite. »Nicht zu fassen, oder?«
    Falk grinste: »Hat offenbar ’ne Galeristin aufgerissen.«
    »Du, der malt heimlich, ehrlic h …«
    »Der Hauser? Nee, der steckt nachts Heroin in Fahrradschläuche oder so«, gab Falk zurück.
    »Nee, der mal t … ech t … sogar abstrakt!«
    Falk zuckte die Achseln. »Vielleicht dämmert dem

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