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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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jetzt wohl war?
    Der Berliner Dauerregen rann über die Brandmauer, über meine Wangen, einerlei, schwarz-grau-weiß, über den Müll, den Schrott, die Kunst und die Taubenkacke, Lummerland ist abgebrannt . Trümmerlan d … Warum schien mir alles so unwirklich heute, war ich so müde, wurde mir alles zu vie l … Meine Finger im Licht der nächtlichen Blitze, nur dauermüd e …
    Warum. Warum hatte ich nie mehr mit ihm gesprochen? Warum hatte ich ihn nie wieder besucht? Weil ich Angst hatte. Weil ich nichts weiter von ihm hören wollte. Alle Ängste, die mir vorher nur durch den Kopf gegeistert waren, beim Eilbriefe-Schreiben, beim Tagesschau -Sehen, beim Radiohören, beim Sprüche-Lesen, beim nächtlichen Herumgrübeln, waren auf einmal da . Unter meinen Fingerkuppen. Dosen kicken, Musik hören, Lärm machen gegen die Angst. Und weg wollen.
    Nächste Woche würde ich mit Fiona wieder Briefe schreiben für Gefangene in der Sowjetunion, in Nicaragua, Obervolta und in Chin a … Ich würde mich wieder mit den Lebensläufen mir unbekannter Menschen beschäftigen, fremde Fotos anschauen, exotische Adressen tippen, Briefmarken anlecke n … Voller Scham dachte ich daran, dass ich Anna einmal nach politischen Gefangenen in Patagonien gefragt hatte. Den Adán würde ich nie wieder sehen, ich war mir dessen ganz sicher. Er war vielleicht in eine andere Stadt gezogen, saß in Bonnies Ranch oder hatte sich das Leben genommen, oder war Pornodarsteller geworden wie Herr Seege r – vielleicht. Aber er ging, schien mir, nicht mal in die Peepshow. Ich drehte und wendete meine Hände im Schein der großen Kerze.
    Zu Hause wartete die Geburtstagsbescherung auf mich. Morgens hatten Wiebke und Klaus Termine wahrgenommen, und ich hatte so getan, als ob ich in die Schule ginge. Wiebke und Klaus hatten sich dieses Mal bedeckt gehalten, ich hatte keine Vorstellung davon, was sie mir schenken würden. Als ich die Wohnung betrat, hörte ich schon das Radio, in dem es wieder um das gestrige Massensterben in Afghanistan ging. Eigentlich hörten wir zur Bescherung immer den Beatles -Song Birthday , aber Klaus und Wiebke schienen ihn über den Nachrichten vergessen zu haben.
    Eine Minute später stand ich vor einem Riesenkaktus, einem Buch über die Wüsten dieser Erde und einem über die Kunstschätze dieser Welt. Dann überreichte Wiebke mir eine olivgrüne Fahrradtasche. »Für realistische Reiseziele, zum Beispiel Schleswig-Holstein«, sagte sie und sah mich bedeutsam an, als wolle sie etwas über mich herausfinden. Nun gab es noch einen in Klarsichtfolie eingeschlagenen Radtourenführer samt Deutschlandkarte. Auch wenn ich lieber mit dem Hauser auf dem Motorrad durch die Hochebenen Patagoniens als allein (oder mit Wiebke, Klaus und Falk) auf dem Fahrrad nach Lübeck fahren wollte, freute ich mich.
    So richtig geburtstägliche Stimmung kam trotzdem nicht auf. Wir vergaßen alle, die Kerzen auf meinem Kuchen anzuzünden. Im Radio, das Klaus sehr laut gestellt hatte, wurde immer noch die ganze Zeit über den Tod Breschnews und die Frage nach seinem Nachfolger gesprochen. Dass der dicke, hässliche Breschnew mir heute derart die Show stahl, gefiel mir gar nicht.
    Wiebke fragte mich, wie es denn in der Schule gewesen sei, und ich gab ehrlich zu, dass ich dieses deprimierende Mottenmuseum an meinem Geburtstag gemieden hätte. Sie seufzte auf, scherzte aber, dass ich über den Tod Breschnews so betrübt gewesen sei, dass ich deshalb nicht habe zur Schule gehen können. »Dann schreibe ich eben wieder, dass du deine Tage hattest«, meinte sie abschließend. Hoffentlich schrieb sie das nicht dauernd.
    Als ich mich nach dem von politischen Sondersendungen begleiteten Geburtstagsabendessen schlafen legte, versuchte ich mich auf den nächsten Tag zu freuen. Meist war der Tag nach dem Geburtstag doch viel schöner als der Geburtstag selbst, tröstete ich mich.
    Am nächsten Tag wurden Jurij Andropow vom Zentralkomitee der Kommunistischen Partei einstimmig zum neuen Generalsekretär gewählt. Gleichzeitig wurden Adelheid Schulz und Brigitte Mohnhaupt verhaftet, nur fünf Tage später auch Christian Klar. Bei meinen Eltern lief der Fernseher in diesen Tagen rund um die Uhr. Abends kamen Freunde, und es gab wilde Diskussionen. Falk und ich stahlen uns zwischendurch davon, aber ich bekam doch mit, dass es zwar gut sei, dass Klar, der Extremist, verhaftet worden sei, dass damit aber dennoch »eine Ära zu Ende gehen« würde. Wie oft hatte ich in diesem

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