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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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und Klaus saßen mit erwartungsvollen »Nachrichtengesichtern« vor unserem rauschenden Schwarzweiß-Kasten, und natürlich rupfte auch heute Klaus an der Antenne herum, aber zwischendurch warfen sie sich unruhige Blicke zu. Um neun hatten wir immer noch nichts von Falk gehört. Dann klingelte e s – doch es war nur Herr Wiedemann, der Klaus einen Ausstellungskatalog und eine kanariengelbe Krawatte zurückgab. Kaum hatte sich Klaus wieder gesetzt, klingelte es wieder. Wiebke eilte mit ihren raschelnden Röcken zur Gegensprechanlage und sagte erst mal eine Zeit lang gar nichts, dann drückte sie auf den Türöffner. Eine Elke sei auf dem Weg zu uns, erläuterte sie uns; sie habe viel und wirr gerede t – irgendetwas sei mit Falk passiert. Wer sollte denn diese Elke sein?
    In der Tür stand ein Mädchen, vielleicht ein, zwei Jahre älter als ich, in einem schwarzen Kleid mit ausgestelltem Rock, schwarzen Strumpfhosen mit Muster (bei näherem Hinsehen erkannte ich kleine Totenköpfe) und hoch aufgetürmtem Zuckerwasserhaar. Ihr Gesicht war kalkweiß geschminkt, dazu hatte sie einen dicken, geschwungenen schwarzen Lidstrich. Auf ihren Lidern klebten kleine silberne Totenköpfe. Ich starrte sie an. Sie sah aus wie von einem Plattencover, das ich bei Falk hatte herumliegen sehen. Das Mädchen wirkte atemlos; ihre großen grünen Augen wanderten suchend zwischen uns umher.
    »Dem Falk geht’s nicht gut«, meinte sie schließlich, »der war gestern mit uns auf einer Party, und dann ist er plötzlich verschwunden. Wir haben ihn überall gesucht und dann im Garten gefunden. Er war hingefallen und konnte nicht mehr aufstehen. Wir (wer ist »wir«, frage ich mich, während Elke sprach) haben ihn in ein Taxi gehievt (diesen Riesen!) und sind mit ihm zu uns nach Hause. Da war er auch bis eben, aber dann ging es ihm noch schlechter, und jetzt haben wir ihn ins Urban-Krankenhaus gebracht.«
    Klaus fragte nach der Station und dem Zimmer, notierte sich alles. »Was glaubst du, warum es ihm plötzlich so schlechtging? Das können doch nicht nur ein paar Gläser Wein gewesen sein?« Klaus fasste Elke ins Auge. Ich kannte diesen Blick bei ih m – seine Art, autoritär auszusehen. Ich fand das niedlich.
    Aber Elke zuckte nur müde die Schultern: »Also, da fragen Sie ihn lieber selber, ich will dazu nichts sagen, ich hab damit nichts am Hut, ich wollte Ihnen nur Bescheid sagen.« Sie sah uns halb hilflos, halb vorwurfsvoll an.
    »Ist das Kleid von deiner Mutter oder hast du das vom Trödelmarkt?«, fragte Wiebke unvermittelt.
    Elke lächelte jetzt. »Nein, das habe ich mir selbst genäht, nach alten Schnitten. Ist er nicht schön mit diesen eingestanzten Blumen?« Elke streichelte über den Rock.
    Wiebke nickte langsam, ohne den Blick von ihr zu wenden. »Gehst du auf die gleiche Schule wie Falk und Julika?«
    Elke schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich muss jetzt gehen, mein Freund wartet unten auf mich.« Im nächsten Moment glitt sie die Stufen hinunter, ihre aufgetürmte Frisur zitterte dabei.
    Wiebke wollte sofort zu Falk fahren, Klaus auch. Geschlagene zwanzig Minuten diskutierten sie darüber, wer zu Falk fahren sollte, bis sie beschlossen, beide zu fahren. Ich wollte aber auf keinen Fall allein zu Hause bleiben und drängte darauf, auch mitgenommen zu werden. Mir ging diese Elke nicht aus dem Kopf. Von der hatte Falk mir noch nie erzähl t – ich war ziemlich gekränkt. Am Ende erwähnte sie »ihren Freund«. Das klang alles nicht gut.
    Im Urban angekommen, führte man uns zuerst zu einer Ärztin, die uns erzählte, dass er eine Mischung aus getrockneten Pilzen zu sich genommen und man ihm den Magen habe auspumpen müssen. Falk hatte Angaben zu den Pilzen gemacht, ich spitzte die Ohren, es waren Teile von Fliegenpilzen, vom Spitzkegeligen Kahlkopf und vom Dunkelrandigen Düngerling gewesen. Falk musste noch drei Tage bleiben, zur Stabilisierung des Kreislaufs und um die Entgiftung zu überprüfen. Ob vielleicht eine psychotherapeutische Behandlung in Erwägung gezogen werde, fragte die Ärztin, wartete aber keine Antwort ab, sondern kritzelte etwas auf ein Papier. Dann entließ sie uns, und wir gingen zu ihm.
    Als ich anderntags von der Schule nach Hause kam, saß Wiebke vor einer Teetasse und weinte. Ich blieb in der Tür stehen und überlegte, was ich machen sollte. Erst einmal ließ ich etwas Ahoj-Brause auf meinen Handrücken rieseln, Krümel für Krümel befeuchtete ich mit der Zungenspitze. Eine Weile lang weinte

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