Hausers Zimmer - Roman
Moment überlegte ich, was ich tun würde, wenn The Wiebkes and the Klauses, Pechs, Herr Kanz, der Grottenolk oder Herr Wiedemann mich sähen, wie ich mit dem Hauser zusammen ins Hinterhaus ging. Niemand begegnete uns. Wir liefen über den Hof, ins Hinterhaus, die Tür hinter mir fiel schwer ins Schloss. Und dann, ich konnte es kaum glauben, stand ich im Flur der Hauser-Wohnung. Ic h – wa r – da. Da war die Garderobe mit den Frauenhänden, da der Stereotower-Nachttisch, die orangefarbene Lampe. Überall lagen Schuhe und Socken herum. Der Hauser warf seine Lederjacke auf ein Sofa gegenüber seinem Bett. Einen Moment lang war ich verwirrt, die Perspektiven waren vertauscht, ich war nicht diejenige, die hier stand, ich war die, die dort oben am Fenster stand. Ich war nicht ich, die hier stand. Der Hauser grinste mich verstohlen von der Seite her an. Oder bildete ich mir das nur ein? Über seinem Bett prangte seit gestern der mit Edding an die Wand geklierte Spruch: Traue niemandem. Ich bin Niemand.
Scheu blickte ich mich um. Mit Wachsflecken übersäte Boxen, herumliegende Kassetten, viele Platten, Zeitschriften, Kondome. Kekse. Und die Hawaiitapet e … Aus der Nähe fiel mir auf, wie schlecht Hauser sie angeklebt hatte: Zwischen den einzelnen Streifen konnte man die vergilbte Blümchentapete der Vormieterin sehen. Als mein Blick kurz über den Hof schweifte, bemerkte ich, wie oben bei uns das Licht im Berliner Zimmer ausging. Einige Sekunden später ging es in der Küche an.
»Wat willste’n sehen?« Er grinste mich wieder an, warf seine Mähne nach hinten. Der Hauser schien es überhaupt nicht merkwürdig zu finden, dass ich hier war; er tat so, als sei das normal. Für ihn war es vielleicht normal. Er hatte ja oft Besuch. Ich starrte auf seine großen Hände, als er am Videorecorder hantierte. Er winkte mich zu sich heran. »Hier ham w a … Eener floch übas Kuckucksnes t … und hier Dit Leben des Bria n … oda wie wärs’n damit: A Hard Day’s Night , oda hier: Magical Mystery Tour , Beatles -mäßig?«
Ich nahm all meinen Mut zusammen und antwortete knapp: »Danke, kenn’ ich schon.«
»Oh, kla r … klar.« Er warf mir einen anerkennenden oder vielleicht gespielt anerkennenden Blick zu. »Hier, ’n Scorsese. Mit Robert de Niro: Taxi Driver .«
Ich nickte. Scorsese, schon mal gehört. Taxi Driver , das klang männlich, erwachsen. Mit dieser Wahl machte ich mich nicht lächerlich. Ich nickte zustimmend.
»O-Saft?«
Wenn ich erwartet hatte, dass er mir ein langstieliges Glas reichen würde, hatte ich mich getäuscht. Im nächsten Moment flog eine Anderthalbliterpulle von Aldi in meinen Schoß. Danach eine Stange Plastikbecher. Dann warf sich der Hauser der Länge nach aufs Bett, dass die Federn quietschen. Ich blickte angestrengt zum Fernseher.
Travis Bickle, ein Taxifahrer aus New York, fuhr nachts an Hochhäusern und Reklameschildern vorbei. Er nahm die Schichten, die seine Kollegen nicht wollten. Weil er offenbar Schlafstörungen hatte. Ob das eine Anspielung vom Hauser war?
Ich saß zusammengekauert auf der Bettkante und versuchte immer noch, mich an die Tatsache, dass ich hier auf dieser Bettkante saß, zu gewöhnen. Wenn ich über den Hof nach oben schaute, sah ich mein Fenster. Mir fiel auf, dass sich der Himmel in meinem Fenster spiegelte. Und heute war der Himmel blau, mit weißen Wölkchen. Eigentlich sah es schön au s – Julikas Zimmer. Der Hauser konnte mich nicht gesehen haben. Schließlich hatte ich nie das Licht angeschaltet, wenn ich am Fenster gestanden hatte.
Von draußen hörte ich Stimmen. Filiz und Serife liefen über den Hof, setzten sich auf das Mäuerchen, das das Kanzsche Brustimperium einrahmte (Herr Kanz hatte es jedoch schon mehrfach umgesetzt, um mehr Platz zu haben), und warfen sich erregt, vielleicht im Streit, einige Ü-Wörter an den Kopf. Dann vernahm ich zwei andere sehr vertraute Stimmen. Fiona und Anna schlossen ihre Räder an. Plötzlich schrie Fiona auf, und Anna rief: »Pass auf, du hängst gleich fest!« Bestimmt war Fiona mit ihren hüftlangen Haaren in Ausläufer der Urbanen Collage geraten. Sie hatte mir gegenüber kein Wort mehr über Anna und das Ekel verloren, nur einmal gesagt, dass sie sich nicht mehr für den Yogalehrer interessieren würde, den wir im Sommer im Lochow gesehen hatten und der ein Liebhaber ihrer Mutter gewesen war.
Kaum hatten Anna und Fiona den Hof verlassen, schlurfte Herr Pech heran, Waldemar kläffte aufgeregt. Man hörte
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