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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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dass er jünger sein musste, als ich vermutet hatte. Dann kam er mit verschiedenen Packungen zurück.
    »Diese hier sind für leichte Fäll e – wenn Sie die Autos vom Ku’damm nicht mehr hören wollen. Diese Sorte hier is t – sagen wir mal, wenn Sie die Schreie aus der Zelle einen Stock über Ihnen nicht mehr hören wollen. Und diese hier, da können Bomben fallen, und Sie schlafen, als wäre die Welt Berlin und Bomben Rosine n … «
    Ich starrte ihn an. Was waren das für Vergleiche? Herr Adán sah mir unentwegt in die Augen, ich hatte das Gefühl, er wollte mir etwas sagen. Warum gerade mir? Und was? Hinter mir keifte eine Oma: »Junge Dame, Sie sind hier nich uffm Abeetsamt!«
    Ich entschied mich für die mittlere Packung, bei der man Schreie aus anderen Zellen nicht mehr würde hören können.
    »Zwei Mark achtzi g – für den Seelenfrieden«, sagte Herr Adán.
    Ich bezahlte, schaute auf seine schönen Hände, während er die Kasse öffnete und mir das Wechselgeld gab. Verwirrt trat ich auf die Straße.

Kunst & Kartoffeln – Palmenland
    An diesem Mittag kamen meine Klassenkameradinnen Setenay und Pepita zu uns. Isa war auch schon da. Die beiden brachten jedes Mal, wenn sie mit uns Hausaufgaben machten, etwas zu Essen mit. Setenay, die wir Sena nannten, hatte türkische Süßspeisen in ihrer Schultasche, Pepitas Mutter packte ihrer Tochter mit Schafskäse gefüllte Paprika oder eine leckere Knoblauchquarkspeise mit Mandeln und Olivenstücken ein. Pepitas Familie war vor vier Jahren von Thessaloniki nach Berlin gezogen.
    Kaum hatten wir drei Sätze gesprochen, baute sich Wiebke neben uns auf. »Wie schön, dass ihr beide da seid! Wollt ihr erst einmal etwas essen?«
    Am Anfang mochten Isa, Fiona und ich Setenay und Pepita nicht. Sie erschienen uns zu brav, nie widersprachen sie unseren Lehrern. Als wir sie besser kennen lernten, verflüchtigte sich dieser Eindruck. Die beiden hielten ihre Meinung nur zurück.
    In der Küche stand ein von Wiebke vorbereiteter Gemüseauflau f – im Römertopf, eine Neuerwerbung meiner Mutter. Sie wedelte mit einem Stapel Fotos: »Ich habe gerade von Anna, Fionas Mutter meine ich, Fotos von ihrem Weihnachtsurlaub auf Skyros bekomme n – es ist ja sooo schön dor t …!«
    Nach einem stockenden Gespräch über die Schönheit der griechischen Inselnatur ging Wiebke mit ihrem untrüglichen Sinn für Gerechtigkeit sofort zur Türkei über und erzählte von einem Tuffsandsteingebirge, über das sie vor einigen Tagen eine Sendung gesehen hatte. Ich meinte mich zu erinnern, dass The Wiebkes and the Klauses da genau zwei Minuten reingezappt hatten, um dann gelangweilt zu den Nachrichten umzuschalten. Meine Eltern lehnten selbstverständlich Leute wie Frau Koderitz oder die Pechs ab, die gelegentlich ausländerfeindliche Bemerkungen machten, aber entspannt gingen sie mit Sena und Pepita auch nicht um: Sie waren voller Furcht, etwas falsch zu machen.
    Wiebke schwärmte also von der Türkei, wobei sie das Adjektiv »schön« auffallend oft wiederholte. Mehr fiel ihr zu dem Steinbrocken, den sie einmal über den Bildschirm hatte flimmern sehen, offenbar nicht ein. Sena schien jedoch sehr erfreut und erzählte von Ferien, die sie mit ihren Cousinen dort verbracht hatte.
    Jedes Mal, wenn Sena und Pepita zu uns kamen, gab Wiebke vor, unersättliches Interesse an ihren Herkunftsländern zu hegen. Sena und Pepita war nicht im Geringsten anzusehen, ob sie die Gespräche mit Wiebke schätzten oder nicht. Manchmal legten sie ihre Köpfe ein wenig zur Seite, wenn Wiebke zu einer langen Lobrede ausholte, aber was sie darüber dachten, blieb im Verborgenen. Isa und ich hatten uns schon überlegt, ob die beiden lieber mit Erwachsenen redeten, weil die Hierarchien dann klar und sie ja so gut im Nettsein waren. Mit uns hingegen wussten sie nie, woran sie waren. Den Erzählungen über den Kinderladen, in den ich früher gegangen war, hatten sie mit sichtbarem Erstaunen gelauscht. Ob sie mich um diese Erfahrung beneideten oder uns deshalb geringschätzten, blieb mir verborgen.
    Nachdem wir Wiebkes Gemüseauflauf gegessen hatten, aßen wir noch Senas Mitbringsel zum Nachtisch. Das süße Blätterteiggebäck zog mir fast die Plomben aus den Zähnen, aber ich traute mich nicht, ein zweites oder drittes Stück abzulehnen. Sonst hätte ich mir anschließend von Wiebke anhören müssen, ich hätte die türkische Großzügigkeit zurückgewiesen. Endlich gingen wir in mein Zimmer.
    »Ihr müsst echt müde

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