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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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kaufen. Du nimmst dir Larissa doch sonst auch nicht zum Vorbild.«
    »Ich will mal auf die Kanaren fliegen! Wi e zum Beispie l, ä h, der Hauser.«
    »Nein, das kommt überhaupt nicht in Frage. Im Hochsommer fahren da nur Proleten hin, wir haben andere Interessen, als mit Millionen von schrecklichen Leuten an einem überfüllten Strand zu braten und nur Deutsche zu treffen. Seinen Nachbarn muss man ja nicht noch im Urlaub über den Weg laufen! Außerdem, diese Flugpreise, das ist reine Geldmache.«
    »So ist das schon seit Goethes Zeiten: die ewige Sehnsucht der Deutschen nach dem Süde n … Falk, Julika, ihr wisst doch, Goethes Italienische Reise : Ich hoffe, ihr habt das mal im Deutschunterricht gelese n … Das hatte ich als junger Mann im Gepäck, als ich Südeuropa bereiste, es gehört immer noch zu meinen Lieblingsbüchern. Was lange Zeit Italien war, wird jetzt vielleicht, natürlich unter dem Zeichen des Massentourismus, Spanie n …« Klaus tätschelte mir verständnisvoll die Schulter. Lieb gemeint, aber das brachte mich auch nicht auf die Kanaren.
    Falk grinste mich an: »Vielleicht wird ja dann bald Kanar’n-Reise , Autor: Peter Hauser, der neue Beststeller. «
    Ich trat ihm unterm Tisch auf den Fuß. Falk öffnete mit sichtlicher Befriedigung ein neues Honigglas, das Wiebke herausgerückt hatte.
    Doch alles wurde noch schlimmer. Klaus holte tief Luft und sagte: »So leid mir das tut, aber dieses Jahr werden wir kürzer Urlaub machen müssen als sonst, weil Wiebke eine Übersetzung aus dem Schwedischen abgeben und ich für eine Recherche, es geht um eine Sammlung von Kunstmanifesten, ins Wendland fahren muss.«
    »Deshalb«, unterbrach Wiebke, »werden wir nur für dreieinhalb Wochen in die Bretagne fahren, aber das wird bestimmt sehr schön«, und sie hielt uns einen Reiseführer mit Schwarzweißabbildungen alter Kirchen und Kathedralen unter die Nase. Der Reiseführer konnte gut und gern noch aus den Fünfzigerjahren stammen.
    »Und nach unserem Urlaub«, Wiebke setzte eine sorgenvolle Miene auf, »müssen wir zu einer Familienfeier nach Paderborn.«
    Falk und ich warfen uns einen genervten Blick zu. Der Zorn von vorhin wendete sich gegen einen neu ausgemachten Feind. Irgendein Mensch wurde sechzig. Wenn man die griesgrämigen Gesichter von Wiebke und Klaus sah, war offensichtlich, dass sie keine Lust hatten, zu dieser Familienfeier zu fahren.
    Wir besuchten nur selten Verwandte. Erst vor wenigen Jahren hatte ich realisiert, dass es neben unseren Großeltern überhaupt welche gab. Irgendwo da in Restdeutschland. Meinen Großvater väterlicherseits hatte ich einmal vor vielen Jahren gesehen. Er war ein merkwürdiger alter Knilch, der nie etwas sagte und Klaus ab und zu skeptische Blicke zuwarf. Klaus erzählte, sein Vater sei früher Offizier gewesen. Seit einigen Jahren war er sehr krank, hatte etwas, das Parkinson heißt und das ich mir früher nur mit der Eselsbrücke Parka und Karlsson vom Dach merken konnte. Klaus und sein Vater schienen sich nicht leiden zu können. Dabei sahen sie sich nicht unähnlich. Beide dünn, mit schmalen Gesichtern, hellbraunen äußerst beweglichen Augen, blonden Haaren (der Großvater war seit einigen Jahren weißhaarig) und höckerigen Nasen. Aber Klaus guckte nicht so entschlossen wie der Großvater. Meine Großmutter war lieb und rund und weinte viel. Daran erinnerte ich mich noch. Der Kuchen war angebrann t – die Großmutter weinte, das Wetter war schlecht, als wir abfuhre n – die Großmutter weinte. Klaus machte eine finstere Bemerkung zu seinem Vater, den das nicht im Geringsten zu stören schie n – aber die Großmutter weinte. Irgendetwas Weiches, Liebes in ihren runden Zügen war auch in Klaus’ Jungengesicht gewandert.
    Meine Großeltern mütterlicherseits waren geschieden. Der Großvater, den ich zuletzt vor sechs Jahren gesehen hatte, war ein protestantischer Pastor, und auf den Fotos sah er, wie ich fand, sehr unangenehm aus. Er hatte einen großen herzförmigen Mund, doch bei all der, wie mir schien, zur Schau gestellten Milde etwas Brutales in seinem fleischigen Gesicht. Wiebke hatte den gleichen Mund, aber ihr stand er viel besser. Überhaupt war meine Mutter zwar etwas übergewichtig, aber hübsch. Wenn sie nicht gerade herumbrüllte. Oma Helene schien ihren Mann immer noch zu verehren; in ihrem Flur hingen große gerahmte Farbfotos von ihm, und sie hatte mindestens fünfzig Predigten von ihm auf Kassetten, von denen sie uns stets, ob wir wollten

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