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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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Wohlfahrtsstaat abzuschaffen, und über ihren Umgang mit aufmüpfigen Jugendlichen. Und ihre Begeisterung für den amerikanischen Schauspieler-Präsidenten.
    Fiona schaute in die Luft: »Is die ja doch noch zu was nutze gewesen.«
    »Sehr schön, Dina«, rief Herr Knecht aufmunternd in unsere Richtung, als wir ihm mit tropfenden Fruchteisbechern zuwinkten.
    Ich dachte, dass ich öfter mit Steffen reden sollte.
    Auf dem Rückweg entdeckte ich einen neuen Spruch auf einer Brandmauer bei uns in der Nähe: In euern Sprengköpfen ist kein Funken Verstand.
    Im Hof sah ich ein Rattenpärchen gemütlich auf einem Camembert liegen. Meine Scheiblettenstulle hatten sie aus der Tonne geholt und benutzten sie als Fußablage. Was mir täglich als Essen serviert wurde, war unseren verwöhnten Ratten nur für ihre Käsequanten gut genug: Die Ungerechtigkeit der Welt begann schon im eigenen Hinterhof.
    Nachmittags telefonierte ich stundenlang mit Fiona. Ich hätte auch die zwei Treppen zu ihr hinuntergehen können, aber auf der Matratze liegen zu bleiben war gemütlicher. Wir erledigten auch noch die Schularbeiten gemeinsam am Telefon und überlegten uns den Text für einen politischen Gefangenen in Rumänien, der auf dem Foto laut Fiona so deprimiert aussah, dass sie noch » very extremely urgent « auf den Briefkopf schrieb.
    In den Nachrichten, die wir bei uns nach dem Abendessen sahen, ging es um den Verzicht der USA auf die Stationierung der Cruise Missile- und der Pershing II -Raketen, sofern die Sowjetunion ihre Mittelstreckenwaffen abbauen würde. Falk schnaubte einmal ungläubig. Wiebke und Klaus sagten nichts. Niemand von uns glaubte, dass die Russen ihre Raketen abziehen würden, und niemand glaubte, dass die Cruise Missiles und die Pershings nicht am Ende doch auf deutschem Boden stehen würden.
    In den Lokalnachrichten wurde ein Bild von Knautschke und Bulette gezeigt, wie sie friedlich fraßen. Was sollte das? War das eine geheime Botschaft? Knautschke, der als eines der ganz wenigen Großtiere den Zweiten Weltkrieg, die Bombenangriffe auf Berlin, überlebt hatte? Mir schien, ich wurde langsam paranoid. An dem Tag ging auch noch unser Telefon kaputt, und das Radio rauschte plötzlic h – wollte uns jemand abhängen? Ich musste unbedingt mehr schlafen.
    Am Sonntag wurde in der Sendung mit der Maus das Thema Steinmetzarbeiten behandelt. Ganz schön aufwändig die Angelegenheit. Nach der Sendung hatte ich etwas mehr Respekt vor Herrn Kanz’ Brüsten. Aber auch nur etwas.
    Am Montag kam Fiona nach der Schule mit zu uns, Anna folgte ihr mit einem Stapel gebatikter Tücher für meine Mutter. Doch innerhalb von wenigen Minuten entwickelte sich ein handfester Streit zwischen Anna und Wiebke. Es ging um Erwin und Karl. Anna fand, dass Erwin und Karl sich zum Dank für unsere Fürsorge für politische Gefangene engagieren und wenigstens einmal im Monat einen Brief schreiben sollten. Falk schaltete sich ein und fragte, ob Erwin auf alte Zeitungen schreiben solle. Anna geriet aus dem Konzept, verteidigte sich und meinte, sie würde den beiden selbstverständlich Briefpapier bringen. Und Stifte, Briefmarken, ein Englischlexikon. Wiebke mit ihrem untrüglichen Sinn fürs Praktische bot Anna an, in Erwins oder Karls Namen die Briefe zu verschicken, anstatt einen halben Schreibtisch auf den Parkplatz zu befördern. Das wiederum fand Anna moralisch verwerflic h – erst recht Wiebkes Idee, ihre Briefe dann stilistisch leicht abzuwandeln. Irgendwann wurde Falk des Gesprächs überdrüssig. Er gähnte einmal übertrieben lau t – seine neueste Methode, um andere auf die Palme zu bringen: »Ihr müsst doch nicht noch an euren Briefen herumdoktern, so’n Quatsch auch, die landen doch eh alle im Müll, ihr Schreibmamselln.«
    Wiebke und Anna machten einen gemeinsamen Feind aus und redeten erzürnt auf Falk ein, er sei zynisch und wisse gar nicht, wie erfolgreich die Aktionskampagnen seien, so jung und schon so abgebrüh t … Mit der Begründung, noch in der Apotheke Ohropax kaufen zu müssen, verschwand ich schleunigst und ließ Fiona bei den Müttern zurück.
    In der Apotheke herrschte Hochbetrieb, und Herr Adán wurde von seiner Chefin in die hinteren Räume beordert. Im Gehen winkte er mir noch zu, lief winkend weiter, wäre fast gestolpert. Er schien sich wirklich gefreut zu haben, mich zu sehen.
    Enttäuscht schritt ich über den Hof, das Grenzgebiet zwischen Vorder- und Hinterhau s – zwischen Let it be und AC / DC , dennoch:

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