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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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Wohnung Ostereie r – eine mehrstündige Angelegenheit. Jedes Jahr übersahen wir ein paar Eier; manche fanden wir erst nach Jahren oder auch gar nicht. Ein sagenhaft großes Nougatkrokantei, das in Wiebkes und Klaus’ Beschreibungen von Jahr zu Jahr größer und köstlicher wurde, vermissen wir bis heute.
    Am Ostermontag ging ich zusammen mit The Wiebkes and the Klauses, Herrn Wiedemann und einigen anderen Freunden meiner Eltern zum Ostermarsch. Wir holten Anna noch a b – Fiona kam natürlich auch mit, sie tat ja kaum einen Schritt ohne ihre Mutter. Falk hatte abgelehnt, ihm seien Ostermärsche zu bürgerlich. Auch Klaus wollte sich erst »drücken«, so Wiebke. Beim Frühstück hatte er »ein komisches Ziehen im Bein« beklagt, dann gemeckert, dass ihm die Ostermärsche »thematisch zu allgemein« seien, aber Wiebke ließ weder das eine noch das andere gelten. »Du hast bloß Angst, Bekannte zu treffen und dich wieder stundenlang von irgendwelchen anstrengenden egomanen Künstlern vereinnahmen zu lassen, die dann auf der Demo ewig neben dir herlaufen«, meinte sie. Tatsächlich war das wohl einer der Hauptgründe, warum mein Vater nicht mehr gern auf Demonstrationen ging.
    Meine Eltern benahmen sich auf der Friedensdemo auch nicht anders als auf den sonntäglichen Spaziergängen. Sie blieben ab und zu stehen, um sich auf Kunst-am-Bau-Geschichten oder Graffiti aufmerksam zu machen, manchmal huschten sie in irgendwelche Höfe und Hinterhöfe. Bei anderen Menschen hätte ich angenommen, sie hätten ein stilles Örtchen aufgesucht, nicht aber bei meinen Eltern oder Herrn Wiedemann, der in seinem olkpinkfarbenen Anzug mit Fliege nicht gerade unauffällig aussah. Klaus hatte sich farblich abgestimmt und trug einen fliederfarbenen Anzug mit rosa-lila-gestreifter Krawatte, dazu einen Flanellmantel. Wiebke und Anna marschierten in Hosenröcken mit zu Rattenschwänzen gebundenen Haaren und Seidenkopftüchern. Wiebke dachte gar nicht daran, sich Klaus’ Geschmack anzupassen. Manche Leute wendeten sich verwundert zu meinen Eltern um, als sich Wiebke bei Klaus einhakte (sie hatten wohl eher vermutet, dass Wiebke und Anna ein Paar seien ) – und ich freute mich ein wenig, dass man meine Eltern merkwürdig fand.
    Am Sonntag darauf war die Laune meiner Eltern schlecht. Wir hatten gerade Die Sendung mit der Maus gesehen und Kunstwerke abgestaubt, aber sie sprachen beim Mittagessen kein Wort miteinander. Nach dem Essen stand Klaus am Fenster, blickte unruhig in den Hof und rauchte eine nach der anderen. Wiebke war wütend, ich sah es an ihrer Gesichtsfarbe. »Es ist einfach meine Entscheidung!«, hörte ich sie.
    »Nein, wenn im Hof unser Privatbereich ausgebreitet wird, habe ich ein Wörtchen mitzureden!« Klaus schäumte.
    »Unser Privatbereich? Es geht um meinen Körper! Meinen, verstanden!« Wiebke warf ein Geschirrhandtuch in Klaus’ Richtung: »Mach dich mal nützlich, zur Abwechslung!« Und mit einem Blick zu Falk und mir: »Und einer von euch fegt die Küche!«
    Klaus drückte seine Zigarette aus, hob das nasse Geschirrhandtuch mit spitzen Fingern vom Boden auf und ging zur Spüle.
    »Worum geht’s ’n?«, fragte Falk, betont gelangweilt. Er dachte nicht ans Fegen.
    Wiebke erzählte uns nun, dass Herr Kanz sie gefragt habe, ob er ihre Brüste als Modell für eine neue Skulptur benutzen könne. Sie war sofort angetan von der Vorstellung. Meine nicht eben dünne Mutter war nämlich stolz auf ihren großen, wohlgeformten Busen. Aber Klaus gefiel die Vorstellung überhaupt nicht, dass Wiebke Herrn Kanz Modell sitzen und ihre Brust nachher in unserem Hinterhof herumstehen würd e – und vielleicht noch, wie er in seiner hysterisch-drastischen Art hinzufügte: »Herrn Pechs Dackel an deine Brust pinkelt. Oder der Hauser!«
    Gar nicht abwegig, dachte ich und betrachtete meine Eltern, wie sie nebeneinander an der Spüle standen und den Abwasch erledigte n – eine Aufgabe, die sonst eher Falk oder ich übernahmen. Gott sei Dank waren Geschirrspülmaschinen damals noch nicht so verbreitet wie heute, denn beim gemeinsamen Abwasch kamen sie sich wieder näher. Klaus stellte Wiebke in Aussicht, einen befreundeten Maler zu bitten, ihre Brust zu portraitieren, wenn sie auf das Angebot von Herrn Kanz verzichtete. Wiebke lenkte schließlich ein. Ich hatte das Gefühl, das von Klaus skizzierte Schreckensszenario von einem an die Brustskulptur pinkelnden Hauser hatte letztendlich den Ausschlag dafür gegeben.

Iron Lady – Der

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