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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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gepresst.
    »Du steigerst dich da in was rein.«
    In den folgenden Tagen ging es mir weiterhin schlecht, ich wehrte mich nicht einmal gegen Wiebkes ewige Tees, Halsumschläge und Wadenwickel. Falk war ungewöhnlich nett und schenkte mir eine ganze Reihe neuer Aufkleber, sogar einen mit einem Kaktus drau f – eine Werbung für Tequila. Und Klaus guckte sich gebührend lange meinen neuen Sukkulentenableger an. Tage vergingen damit, dass ich ein großes Puzzle mit Mount-Everest-Ansicht legte.
    Kaum ging es mir besser, hörte die familiäre Rücksichtnahme auf. Falk bat mich ständig, ranzige Plattenstapel, die er nach Wohnungsauflösungen bekam, mit auf sein Hochbett zu schleppen, und Wiebke war so versunken in die Übersetzung eines schwedischen Jugendbuchs über den Rausch der ersten Liebe, dass sie tagelang mit verklärtem Blick durch unsere Wohnung tappte und kaum ein Wort mit jemandem wechselte.
    Morgen fing für mich die Schule wieder an. Entsprechend schlecht gelaunt verzog ich mich den ganzen Tag mit dem Atlas auf mein Matratzenlager. Am Abend kam eine Tiersendung im Fernsehen; seit ein paar Wochen gab es eine Reihe über Nagetiere, und diesmal ging es um Ratten. Was der Experte zum Besten gab, war nichts, was wir als Bewohner eines normalen Berliner Altbaus nicht auch wusste n – von der Größe ihrer sozialen Verbände bis hin zu ihren Nahrungsmittelvorlieben, ihrem Eigensinn und ihrer Intelligenz. Nur das Genusssüchtige in ihrem Wesen kam etwas zu kurz. Falk stakste in einer Haschwolke durchs Berliner Zimmer, warf einen Blick auf den Fernseher und ließ sich dann auf einen der Sessel plumpsen. Regungslos und mit halb geschlossenen Augen verfolgte er die Sendung.
    In den Nachrichten wurde die Geburt des ersten Retortenbabys der Welt gemeldet. Wiebke und Klaus waren unterschiedlicher Meinung, wie dieses Ereignis zu bewerten sei. Klaus fand es gut, dass Frauen auch mittels künstlicher Befruchtung ein Kind bekommen konnten, Wiebke hingegen fand es unnatürlich und erschreckend. Eine Feministin, die interviewt wurde, sagte, die künstliche Befruchtung würde Frauen nahelegen, um jeden Preis ein Kind zu bekommen. Den Satz »es hat halt nicht geklappt« würde man bald nicht mehr als Ausrede verwenden können. Die gewollt Kinderlosen würden stigmatisiert werden. Klaus verstand nicht, warum sich ausgerechnet die Feministinnen über diesen medizinischen Fortschritt ereiferten. Es störte ihn, dass die Diskussion von Frauen beherrscht wurde. »Oft liegt es ja auch am Mann, wenn ein Paar kein Kind bekommt, der möchte vielleicht auch ein Kind haben können.«
    Irgendwann fragte Falk genervt: »Wollt ihr etwa noch ein drittes Kind haben? Diskutiert ihr hier deshalb seit Stunden?«
    Wie aus einem Mund riefen Wiebke und Klaus entsetzt: »Nein, zwei reichen!«
    Falk und ich verschwanden in unterschiedlichen Richtungen irgendwo in der großen Wohnung.

Friedenstaube – Orakel von Delphi
    Auf dem Rückweg von der Schule lief ich wie immer mit Isa und Fiona die Uhlandstraße entlang. Es nieselte, und im Nieselregen wirkte die Stadt weicher als sonst. Über die Straße eilten zwei Ku’dammladys, hielten sich aufgeregt Werbebroschüren auf di e – noc h – haarspraystarren Frisuren, dann sprangen sie unerwartet behände mit ihren vielen Tüten und Taschen in einen weißen Mercedes, rot-zittriges Rücklicht vor uns und Regen, Regen, Regen.
    Von überall her kamen Männer, die es ins Trockene, ins Warme drängte. Sie standen in einer Traube vor dem bunten Plastikvorhang, schüttelten sich wie nasse Hunde und versuchten, ihre Regenschirme möglichst schnell zusammenzuklappen. Manche von ihnen klappten die Schirme schon auf der gegenüberliegenden Seite zusammen, um nicht länger als nötig direkt vor dem Eingang der Peepshow herumhantieren zu müssen. Ein Mann stürmte jedoch mit aufgespanntem Schirm ins warme, duftende Inner e – und verhedderte sich fürchterlich in dem Vorhang. Als wir in die Lietze einbogen, hing sein Schirm immer noch im Vorhang fest, hinter ihm drängte die nasse Meute, und es sah so aus, als ob ihm zwei hilfsbereite Stripteasetänzerinnen unter die Arme greifen mussten.
    Den ganzen Weg über hatten wir nur ein Gesprächsthema. Wie blöd wir die Jungen in unserer Klasse fanden und dass wenn, dann nur ein älterer Junge oder ein richtiger Mann für uns in Frage käme.
    Auf einmal blieb Fiona stehen. »Ich sollte meiner Mama noch eine Weleda-Creme mitbringen. Cale n … na, die, die so ähnlich heißt

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