Haushaltsschnecken leben länger
Meinung sind, glaube auch ich an die kunstvolle Restverwertung.
Bevor man aber an das Verwerten schreiten kann, muß man sammeln. Daher besitze ich:
Eine riesengroße Schachtel mit quadratisch
zurechtgeschnittenen Stofffleckerln, aus denen eine
Patchworkdecke werden soll.
Eine noch größere Schachtel mit zu Bällen gerollten
Stoffstreifen, aus denen ein Fleckerlteppich gewebt werden soll.
Drei Nylonsäcke voll mit alten Strumpfhosen, aus denen man mit einer Häkelnadel Nummer zwölf Badezimmermatten
fertigen kann.
Einen Sack mit Lederresten, die, zu feinsten Streifen
geschnitten und aneinandergenäht, zu
einer sehr
außergewöhnlichen Jacke verstrickt werden sollen.
Und in einem vermischten Korb gibt es noch Holzkugeln und Hanf, Perlen und Blumendraht, Bast und Pelzfleckerln,
Teddybäraugen und Filz, Litzen, Borten und Spitzen.
Kasperlfiguren könnte man aus dieser Materialiensammlung machen, Puppen, auch Tiere. Und die Perlen - die bunten, zylinderförmigen - könnte man zu irre schicken Frühstücksets auffädeln!
Der Jammer ist nur, daß ich von einer Patchworkdecke in Rottönen träume und meine Fleckerlsammlung eher grün-blau getönt ist. Den Fleckerlteppich hätte ich hinwiederum gern sehr grün, aber die Streifenbälle, die ich mühsam aufgewickelt habe,
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sind rot-gelb gestreift. Und die alten Strumpfhosen sind grau oder braun. Etwas
Häßlicheres als einen graubraunen Badezimmervorleger kann ich mir schwer vorstellen.
Und soviel Geduld, wie man braucht, Leder in
Spaghettistreifen zu schneiden und diese zu einer Jacke zu verstricken, habe ich nicht. Mein Kasperlfigurenmaterial allerdings ist komplett! Da aber fehlt mir das Kind, das ich damit beschenken könnte.
Außer diesem Kind fehlt mir natürlich auch noch die Zeit zum kreativen Resterlverwerten. Aber das macht nichts! Vor meinen Schachteln zu hocken, in Fleckerln, Hanf, Bast, Leder, Pelz und Wolle zu wühlen und sich dabei vorzustellen, was man alles tun könnte - wenn man könnte -, ist sehr entspannend.
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TV & Frau
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Macht am Drücker
Woran erkennt man, wer in einer Familie die mächtigste Person ist? »Das ist die Person«, sagte mir ein kleiner Knirps,
»die bestimmt, wohin die Familie auf Urlaub fährt!«
»Das ist die Person«, sagte mir ein etwas älterer Knabe,
»wegen der es zweimal die Woche Blunzen gibt; obwohl sonst niemand in der Familie Blunzen mag!«
Ein halbwüchsiges Fräulein meinte: »Das ist eindeutig die Person, die schreit: Solange du deine Beine unter meinen Tisch streckst, wird getan, was ich will!«
»Das ist der«, sagte mir eine bleiche Hausfrau, »der das Haushaltsbuch kontrolliert!«
»Das ist die Person«, erklärte mir ein älterer Herr, »die ein Familienmitglied tagelang mit Verachtung straft, weil es später als angekündigt heimgekommen ist!«
Als weitere Machtpersonen wurden mir genannt: Die, die die Höhe des Taschengeldes bestimmt. Die, die andere - auch am Sonntag - ungestraft aufwecken darf. Die, die den Autoschlüssel hat. Und die, die sich erfolgreich weigert, den Besuch bei Tante Emma mitzumachen.
Lauter recht subjektive Meinungen über Macht in der Familie habe ich zu hören bekommen. Keine stimmte mit meiner
eigenen, auch recht subjektiven Meinung in dieser Sache überein.
Als mächtigste Person in der Familie verstehe ich die, der es gelingt, ihre Wünsche am häufigsten und heftigsten
durchzusetzen. Der erfahrene Familienbeobachter erkennt so eine Person an vielen Details quer durch den Familienalltag.
Am Abend jedoch wird diese Person sogar dem deutlich
erkennbar, der von Familien-Machtstrukturen keine Ahnung hat.
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Am Abend nämlich ergreift diese Person die Fernsehapparat-Fernbedienung und läßt sich in einem bequemen Stuhl nieder.
Und dann schaut die Person fern. Ganz nach Lust und Laune und quer durch alle verkabelten Kanäle. Wenn das Geflüster der anderen im Räume hockenden Familienmitglieder lauter wird, drückt sie ein Fernbedienungsknöpfchen, und der
Fernsehapparat wird auch lauter.
Dann kann es geschehen, daß ein Familienmitglied nach dem anderen aus dem Zimmer geht, je nach Temperament wütend oder bloß vergrämt.
Und dann kann es noch geschehen, daß sich die Person mit der Fernbedienung in den Händen umschaut, den leeren Raum sieht und seufzt: »Immer ist man allein! Keinen Familiensinn haben sie!« Sehr arm kommt sich die Person dann vor.
Aber die mächtigste Person in der Familie ist sie - meiner Ansicht nach -
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