Hausverbot
seiner Nase zusammen. Der Volksmund sagte nicht umsonst: An der Nase einen Mannes erkennt man seinen Johannes . Das wollte ich einmal mit einem Foto illustrieren. Ich fotografierte Anton im Ganzkörperprofil. Auf dem Foto sollten sowohl seine Nase als auch sein Schwanz zu sehen sein. Auf Antons erigiertem Penis hängte ich ein Küchentuch auf. Damit wollte ich zeigen, dass sein Schwanz nicht nur stand, sondern auch Gewichte halten konnte. Einige Meter von Anton entfernt stellte ich die Schärfe in der Fotokamera ein. Wenn ich das Objektiv zu lange befummelte, ließ Antons Erregung etwas nach. Das sah dann nicht mehr so aus, wie es sollte. Schnell näherte ich mich Anton, fasste sein Genital an, und schon stand der Penis wieder wie eine Eins. Ich rannte rasch zur Kamera zurück und schoss das Foto.
Nun kniete Anton vor dem Backofen und schaute den Plätzchen zu, wie sie durch das Backen größer wurden. Gelähmt starrte ich auf seinen Rücken. Er merkte es. Ohne sich umzudrehen, sagte er: Das Telefon ist an der gleichen Stelle wie immer. Ich ging ins Wohnzimmer. Der Telefonapparat stand auf dem Tisch. Überall breiteten sich die noch nicht fertig gemalten Ikonen aus. Anton arbeitete immer an mehreren Bildern gleichzeitig. Normalerweise hätte mich der Anblick intensiver Arbeit heiter gestimmt oder gar neidisch gemacht. Ich hätte Anton euphorisch gratuliert und mich mit ihm auf die gleiche Stufe gestellt. Aber jetzt sagte ich nichts. Ich wurde nervös. Eine fixe Idee pumpte Adrenalin in mein Blut. Die Hassphase auf alles, was Anton betraf, erreichte ihren Zenit. Die Wut auf ihn regierte mein Handeln. Ich nahm einen Pinsel in die Hand. Ich tunkte ihn in einen geöffneten Topf mit roter Farbe. Ich malte auf jede der Ikonen ein großes X. Die Ikonen sahen jetzt so aus, als wären sie verboten. Das war mir noch zu harmlos. Ich malte auf die vier Endungen der X-Zeichen je einen kurzen Strich im Neunzig-Grad-Winkel nach rechts. Aus Verbotszeichen wurden Hakenkreuze. Sieg Heil. Mein Werk war vollendet. Ich musste schnell weg hier, bevor Anton ins Zimmer kam. Ich rief Arek an. Niemand ging ran. Ich tat so, als würde ich mit Arek sprechen: Hier ist Lola … Ich bin gerade bei Anton … Schön … Gerne … Bis gleich! Ich legte den Hörer auf und ging in die Küche. Anton wusch jetzt das Geschirr ab. Ich stellte mich lieb neben ihn, nahm ein Küchentuch und trocknete das Geschirr ab. Ohne Anton anzusehen, sagte ich: Ich gehe gleich. Arek holt mich in ein paar Minuten ab. Anton öffnete den Backofen. Er holte daraus das Blech mit den Weihnachtsplätzen hervor. Er stellte das Blech auf den Herd. Er nahm ein Plätzchen in die Hand. Er kostete es. Er war zufrieden: Lecker. Probier eins. Ich hatte so eine Wut im Bauch. Ich verfluchte ihn aufs Übelste. Seine Kekse schickte ich zum Teufel. Dennoch biss ich von der Backware ab. Ich tat das nur zur Ablenkung. Zur eigenen Beruhigung. Weil ich doch ein schlechtes Gewissen wegen der Hakenkreuze bekam. Und weil ich nicht wollte, dass Anton die Küche verließ. Die Sorge war aber unnötig. Anton hatte dort genug zu tun. Er verzierte die Kekse mit bunten Streuseln, Perlen, Puderzucker und Glasur. Ich wunderte mich etwas, wo das Zeug zum Ausschmücken herkam. Aber ich stellte Anton keine Fragen. Ich wollte ihn lieber nicht in seinem Element stören. Dann räumte er das trockene Geschirr in den Küchenschrank ein. Er drapierte eine Tischdecke auf dem Tisch. Er stellte einen Kerzenständer darauf. Er befestigte neue Kerzen auf dem Kerzenständer. Er zündete die Kerzen an. Er legte das Gebäck in eine große Schüssel. Er stellte die Schüssel auf den Tisch. Er dekorierte den Tisch mit Tannenbaumzweigen. Als er anfing, den Herd zu putzen, ging ich in den Flur. Ich zog die von der Heizung gewärmten Schuhe und den bei HaUndEm geklauten Mantel an. Ich nahm meine Reisetasche auf die Schulter. Ich öffnete die Wohnungstür. Ich rief Anton Frostige Weihnachten zu. Ich knallte mit der Tür. Ich eilte auf die Straße zum nächsten Taxistand. Ich hatte Schwein. Keine Warteschlange.
Ich fuhr zum ›Spatif‹, dem einzigen Künstlercafé in der ganzen Dreistadt. Der Türsteher ließ mich problemlos rein. Wahrscheinlich musste ich wegen meines westlichen Outfits keinen Künstlerausweis vorzeigen. Ich hatte auch keinen. Ich lebte in Westdeutschland. Dort gab es so was nicht. Ich bestellte eine Blutige Marie. Ich nahm den ersten Schluck. Genau in dem Moment betrat Andrzej den Saal vom ›Spatif‹.
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