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Hausverbot

Hausverbot

Titel: Hausverbot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mariola Brillowska
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Perfekt. Ich hatte ja schon die ganze Zeit Ausschau nach ihm gehalten. Andrzej erkannte mich sofort. Er kam auf mich zu und sagte: Man sieht sich zweimal im Leben. Ich nippte weiterhin an meiner Blutigen Marie: Darf ich dich auf einen Drink einladen? Für das Visum von damals. Andrzej: Ich sage nicht nein. Dann hätte ich gerne auch so ’ne Krwawa Maryśka. Wir tranken und redeten und tranken und redeten und tranken. Wir verglichen unsere Schicksale. Wir fanden so viele Gemeinsamkeiten. Wie ich lebte Andrzej in Westdeutschland. Wie ich war er wegen Weihnachten das erste Mal wieder in der Heimat. Wie ich war er mit deutschem Pass eingereist. Wie bei mir hatte die Grenze seine Liebesbeziehung zerstört. Die kleinen Unterschiede spielten dann keine Rolle mehr. Dass er bereits geschieden war. Dass er sich offiziell hatte ausbürgern lassen und keine polnische Staatsbürgerschaft mehr besaß. Dass er kürzlich einen schlimmen Autounfall gehabt hatte und sich noch in Behandlung befand. So genau wollte ich das alles nicht wissen. Die Tatsache, dass wir uns wieder getroffen hatten, und die Wirkung des Alkohols ließen nur eine Frage aufkommen: Zu ihm oder zu mir?
    Andrzej flüsterte mir ins Ohr: Es gibt noch eine Party von Leon im ›Sfinks‹ … Was? Ich wusste nicht, dass es außer dem ›Spatif‹ noch mehr coole Lokale in Sopot gab. Ich war also noch nie im ›Sfinks‹ gewesen. Und dann noch eine Party von Leon, dem verrückten Sopoter Transvestiten? Genial. Natürlich gingen wir hin. Erstens, weil ich so viel von Leon gehört hatte und ihn schon immer kennenlernen wollte. Zweitens, weil ich gerade total scharf auf Andrzej war. Und drittens, weil wir nur auf diese Weise noch eine Weile zusammen sein konnten. Zu mir konnten wir nicht gehen. Ich war quasi obdachlos. Ich hatte eigentlich vorgehabt, bei Arek unterzukommen. Ich hatte ihn aber vorhin nicht erreicht, und jetzt konnte ich ihn nicht mehr anrufen. Es war zu spät. Andrzej bestellte beim Barmann die Rechnung. Bevor ich mein Geld aus dem Portemonnaie holen konnte, hatte er schon für uns beide bezahlt. Er nahm meine Reisetasche in die linke Hand. Mit der Rechten zog er mich an sich, und wir knutschten endlich miteinander. Mit den drei Gesten: die Rechnung bezahlen, meine Tasche tragen und mich an sich ziehen, machte er eindeutig die gemeinsame Nacht klar. Mir war das nur recht, auch wenn das wie eine routiniert eingespielte Choreografie wirkte. Ich war sowieso nicht gut bei Kasse. Und dass Männer in Polen für die Frauen die Taschen trugen, gehörte halt zum hiesigen Verhaltenskodex. Hier war alles noch nicht ganz so modern, emanzipiert, abgeklärt. Hier ließen sich die Frauen noch von den Männern erobern. Ich hatte mir schon den ganzen Abend den Kopf darüber zerbrochen, ob Andrzej überhaupt auf Frauen stand. Er erzählte zwar von seiner geschiedenen Frau. Das musste aber nichts bedeuten. In Polen heirateten schwule Männer auch Frauen und zeugten mit ihnen Kinder, weil in diesem Land die Homosexualität ein großes Tabu war.
    Andrzej sah sehr feminin aus. Deswegen gefiel er mir überhaupt. Ich hatte super Laune. Alles kam mir plötzlich besonders vor. Ich fand auch nicht mehr schlimm, dass die Stippvisite bei Anton so einen unangenehmen Ausgang genommen hatte. Das spärliche Licht vorm ›Spatif‹ machte mich glücklich. Es war so gelb und voller Geheimnisse. Die deutsche Nacht wirkte dagegen viel zu nüchtern, sachlich, konkret. Wenn mir jetzt James entgegengekommen wäre, hätte ich wahrscheinlich wie in einem Horrorfilm geschrien. Ich wollte gar nicht daran denken. Den kommunistischen Matsch auf dem Sopoter Hauptboulevard Monte Cassino hatte zwischenzeitlich frischer Schnee zugedeckt. Ich stand vorm ›Spatif‹ in den Armen von Andrzej, und wir knutschten wieder. Ich fühlte mich warm und geborgen. Meine nächsten zwei Stunden hatten eine Zukunft. Das reichte mir vollkommen. Weiter konnte ich sowieso nicht denken, so angeschickert, wie ich gerade war. Um auf dem Schnee nicht auszurutschen, hängte ich mich bei Andrzej ein. Ich verließ mich auf ihn. Ich ging einfach mit. Ich gab die Kontrolle auf.
    Das ›Sfinks‹ war nur ein paar Meter weiter, direkt am Strand. Es lag mitten in der Parkanlage, die zum ›Grand Hotel‹ gehörte. Als Teenager hatte ich mit vielen anderen Mädchen oft vor diesem Hotel abgehangen. Wir sammelten Autogramme. Im ›Grand Hotel› stiegen etliche Sänger des Internationalen Schlagerfestivals ab, das in Sopot jeden August

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