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Hausverbot

Hausverbot

Titel: Hausverbot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mariola Brillowska
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meinem zehnten Lebensjahr zog ich mich anders als die meisten an. In Polen drehten sich die Leute grundsätzlich nach mir um. Im Westen waren die Menschen toleranter, dennoch guckten sie, allerdings viel diskreter. In Polen zeigten die Leute mit dem Finger auf mich, wenn ich ein pinkes Hemd und einen orangen Rock anhatte. Ich wusste, was sie meinten. Ich erinnerte mich nämlich daran, dass uns schon im Kindergarten eingebläut worden war, Rosa und Orange passten nicht zusammen und Rot würde sich mit Grün beißen. Auf dem Kunstgymnasium war der Lieblingssatz meines Malereilehrers: Grün mit Rot schlägt die Bilder tot.
    Der Anblick von Leon euphorisierte mich. Ich fühlte endlich mal wieder was. Ich war nicht mehr allein mit meinem Bedürfnis, massiv aufzufallen. Ich hatte einen Gleichgesinnten gefunden, und der war auch noch die Personifizierung der Kunst. Ich wurde stolz und weise. Ich erkannte die absolute Wahrheit. Die Kunst war die Liebe, die Leidenschaft, das Denken, der Raum, der Häuptling, die Squaw, der Tag, die Nacht, der Mond, der Stern, der Himmel, die Sonne, der Berg, die Ziege, die Milch, die Mutter, das Baby, der Schnuller, der Schwanz, der Samen, die Erde, das Wasser, die Ader, das Blut, die Farbe Rot, das wunderbare Haus, die Tollwut im Wald, die Einsamkeit am Rande der Stadt. Aus alldem bestand das Leben. Das echte Leben. Mein Leben. Ich erkannte, dass Kunst die einzige Konstante im Universum für mich war. Ich erkannte, dass es im Leben nichts Schöneres als sie gab. Dann war es auch egal, ob Leon Bowery kopierte oder nicht. Er machte sich selbst zu Kunst, und das inspirierte mich. Er war auch der einzige Mann hier, der sich äußerlich überhaupt was traute. Sein Stil war gewagt, mutig, originell und zweihunderttausend Lichtjahre weit weg von dem, was der harmlose Möchtegernpunker Arek anzog. Leons Stil wurde mit Sicherheit durch die Zeit in Berlin beeinflusst. Und Berlin gehörte zu Westdeutschland. Für mich war es genau richtig, dahin zu gehen. Anton hin, Anton her. Er interessierte mich nicht mehr. Ich schien davon endlich geheilt zu sein. Ich sah unserer Scheidung mit Frohsinn entgegen. Ich spürte, dass ich so schnell wie möglich zurück in Hamburg sein wollte. Ich hatte auf einmal so viele künstlerische Ideen, die meinen Namen Lola Love zum Leuchten bringen sollten. Auf jeden Fall wollte ich mit dem Malen von Käfern, Ameisen, Krokodilen, Häfen, Werften und Matrosen aufhören. Überhaupt wollte ich das Malen ganz sein lassen. Weil es nichts brachte. Weil es zu viele Maler gab. Weil die Malerei so unmodern, so steif, so bürgerlich, so statisch, so tot war. Auch wenn meine eigenen Bilder sehr bunt waren. Ich kombinierte immer nur knalliges Rot mit Grün oder Orange mit Ultramarin in Verbindung mit Schwarz und Weiß. Anderes Kolorit kam bei mir nicht infrage. Ich nahm die Farben ausschließlich direkt aus der Tube und mischte sie nie. Dadurch konnten keine Unreinheiten, keine Schmierereien, kein Braun entstehen. Diese Begegnung mit Leon offenbarte mir, dass die Kunst im nahenden einundzwanzigsten Jahrhundert aus bewegten Bildern und echten Menschen entstehen musste. Mein neuer Plan war, mich in die Welt von Film und Performance zu beamen. Ich sagte auf der Stelle dem Tafelbild Adieu .
    Die Partygäste klatschten. Leon zeigte sich im neuen Outfit. Das war jetzt schon das fünfte Mal, dass er sich umgezogen hatte, seit wir hier aufgetaucht waren. Leons Kopf, auch das Gesicht, waren jetzt vollständig mit dem purpurnen Nagellack angemalt. Auf der Stirn hatte er sich mit schwarzem Gaffer zwei Klorollen als Teufelshörner angeklebt. Er hatte einen schwarzen Rollkragenpullover an, unter dem er sich aus Strumpfhosen üppige Titten geformt hatte. Auf dem Pullover klebten zwei rote Puschel als Nippel. Leons Beine steckten in schwarzen Leggings, die Füße in roten High Heels. Auf der Penisstelle nahm eine rote Tannenbaumspitze Platz. Hinten hing aus Leons Arsch ein Schwanz aus aneinandergeketteten Kabanossis heraus. Ich guckte mir die Augen aus dem Kopf, während Andi an meinem Hals hing. Er war total rollig. Er leckte an meinem Ohr und flüsterte: Meine Päpstin, der Hut steht dir gut. Purpur ist die Farbe der Liebe . Er steckte seine Hand unter mein Oberteil und streichelte meine Brüste. Wir küssten uns. Dabei beluscherte ich das Innenleben vom ›Sfinks‹. Oh mein Gott! Die fummelten ja alle ziemlich hemmungslos aneinander herum. Da mussten doch Drogen im Spiel sein. Wahrscheinlich

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