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Hausverbot

Hausverbot

Titel: Hausverbot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mariola Brillowska
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mit dem Nudelholz auf mich los. Sie war eine sehr spezielle Frau. Sie trug keine Unterhose und war stets bereit, jedem ihren blanken Arsch zu zeigen. Einmal war ich mit ihr Lebensmittel einkaufen. Agnieszka stand beim Bezahlen mit dem Rücken zu den Biertrinkern, die immer in dieser Art Läden abhingen. Sie lästerten über sie. Agnieszka ließ die Lebensmittel im Einkaufsbeutel verschwinden, zog ihren Rock hoch und streckte den Biertrinkern ihren nackten Po hin. Das tat sie öfters. Wenn ihre Mitmenschen auf sie mit den Fingern zeigten, konterte sie mit dem bloßen Hintern. Man hielt sie für verrückt. Nachts um vier bekam sie Tourette-Anfälle. Sie saß kerzengerade im Bett und beschimpfte laut und aufs Derbste imaginäre Menschen. Wegen ihres Analphabetismus geriet sie zusätzlich in missliche Lagen. Einst besuchte sie der Gerichtsvollzieher. Er wollte die nicht beglichene, mehrfach angemahnte Stromrechnung kassieren. Sie wusste von nichts. Alle Drucksachen, die ihr ins Haus kamen, verbrannte sie ungeöffnet im Ofen. Sie warf mit ihrem Tauchsieder, dessen Kabel mit zwei Drähten statt mit einem Stecker endete, nach dem Gerichtsvollzieher. Der Angsthase lief davon, während Agnieszka aus dem Fenster hinter ihm herschrie: Verpiss dich, du Hurensohn! Steck dir das Ding in den Arsch. Ich habe nichts. Ich zahle nichts. Ich brauche keine Scheißelektrik. Ich habe zwei Kriege überlebt. Ich habe zwei Kinder großgezogen. Spierdalaj sukinsynie! Sie trat mit dem Fuß gegen die Steckdose und spuckte in den Metalleimer, in den sie immer strullte. Der Eimer kippte um. Der Urin breitete sich auf dem Boden aus. Agnieszka schmiss den Eimer aus dem Fenster. Sie wütete stundenlang weiter so rum. Ich war das gewöhnt. Für mich war das normal. Ich verbrachte bei Agnieszka alle meine Sommerferien, bis ich fünfzehn wurde. Sie war das Gegenteil von cool. Ich hätte es lieber gehabt, wenn sie nicht ständig so abgegangen wäre. Dennoch konnte ich mich bei ihr von meinen Eltern erholen. Obwohl ich sie mir nicht ausgesucht hatte, musste ich bei ihnen leben, bis ich erwachsen wurde. Da hatte ich leider die Arschkarte gezogen. Agnieszka war sozusagen meine zweite Lebenskrücke nach der Kalwasowa. Ich lehnte mich an den beiden an, so gut ich es nur konnte. Ich holte mir dort die Chancen, wo sie sich ergaben. Ich jammerte nicht. Ich dachte an die Zukunft. Ich hatte eine Vision. Ich wusste, dass ich eines Tages in die Welt gehen und mich für immer aus diesem Schabrackendasein stehlen würde.
    Selbstverständlich war ich kein Wunschkind. Mein Vater konnte mit Kindern nichts anfangen, und wenn schon, dann wollte er lieber einen Jungen haben. Das hatte er immer gesagt, wenn meine Mutter mir die Haare durchkämmte. Sie tat es mit einem so winzigen Kamm, dass das richtig wehtat. Ich schrie wie eine Irre. Für meine Haare hätte man wohl eine vernünftige Haarbürste nehmen müssen. Leider fehlte das Geld dafür. Meine Eltern konnten sich nichts leisten. Wir hatten auch nur eine einzige abgewrackte Zahnbürste. Sie sah so eklig aus, dass ich mir mit der auf keinen Fall die Zähne putzen wollte. Außerdem gab es nie Zahnpasta. Jedes Jahr hatte ich ein Loch mehr im Gebiss. Weil ich beim Haarekämmen rumheulte, schleppte mich mein Vater in die gegenüberliegende Wohnung zu seiner Schwester Lenia. Lenia war vom Beruf Frisöse. Die Haare mussten ab. Die Großeltern wohnten auch dort, sowie Lenias Mann, deren Kinder Ala und Ola, Vaters zweite, noch nicht verheiratete Schwester Ania, seine zwei erwachsenen Brüder Mirek und Marek und sein jugendlicher Bruder Maciek. Mirek und Marek hatten ebenfalls Frauen und Kinder, die aber aus Platzgründen woanders wohnten. Ich flennte. Alle Familienmitglieder kamen aus ihren Zimmern. Niemand wunderte sich. Jeder wusste Bescheid. Opa Hans holte eine Flasche Wodka und vier Gläser aus dem Küchenschrank. Er ging aus der Wohnung. Mein Vater, Mirek und Marek dackelten dem Opa hinterher. Die Männer verschwanden im Gartenhäuschen. Sie tranken dort die Flasche Wodka aus. Oma Erika setzte mich in der Küche auf einen Hocker. Sie wickelte mir ein feuchtes Handtuch um die Haare. Lenia fischte eine Schere und eine Bürste aus der Küchenschrankschublade. Ala und Ola sowie Maciek und Ania verzogen sich zurück in ihre Zimmer. Lenia wunderte sich, dass meine Haare wieder so lang geworden waren. Sie bürstete sie vorsichtig durch. Die Haare waren sehr verzottelt. Meine Mutter kämmte mich viel zu selten, weil sie dauernd den

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