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Hausverbot

Hausverbot

Titel: Hausverbot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mariola Brillowska
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Ich erinnerte mich daran, wie ich mir als Kind die Unendlichkeit vorstellte und davor eine große Angst verspürte. Ich träumte damals sehr oft davon, auf der Flucht zu sein. Kurz bevor mich die Gefahr schnappte, verwandelte ich mich in einen Vogel. Ich breitete die Flügel aus und flog weit weg und auf und davon, bis ich aufwachte.
    Das Klingeln des Telefons holte mich in die Realität zurück. Meine Chefin war am Apparat: Elke Süßdorf , du, Lola, da hat jemand bei uns im Büro angerufen und sich beschwert, dass du dein Kind in der Ausstellung stillst. Weißt du, du bist in der Börse. Die sind das nicht gewöhnt. Wenn du niemanden fürs Kind hast, kannst du den Job nicht machen. Dann ist da sowieso noch das Problem mit deinem Outfit. Deine Mütze, die geht doch echt nicht. Der Anrufer sagte, du hast so einen roten Türkenfez auf dem Kopf. Pass auf, du ziehst die Schicht bis sechs Uhr durch, und ab morgen habe ich schon jemand anderen. Tut mir leid, aber wir haben als Veranstalter die Verantwortung. Wenn ich dich fürs Archiv brauche, melde ich mich. Ich überweise dir erst mal dein Geld. Tschüss. Sie legte auf. Ich fühlte mich wie auf den Kopf gehauen. Ich fasste meine Mütze an. Ich hatte sie mir selber gemacht. Ich war richtig stolz darauf. Man konnte so was nirgendwo kaufen. Sie sah aus wie die Kopfbedeckungen der alten Ägypter. Diese Süßdorf war echt so eine unglaubliche Fotze. Was bildete die sich denn eigentlich ein? Jedenfalls wollte ich auf keinen Fall in ihrem Archiv arbeiten. Das befand sich nämlich im Keller.

VIII
    Gina machte mich erwachsen. Ich zog sie groß, während mir ihr potenzieller Vater auf der Tasche lag. Ich war dabei, finanziell auf die Beine zu kommen. Ich dachte an Agnieszka. Sie hatte ihre Kinder von zwei verschiedenen Männern gekriegt. Sie hatte nie verraten, wer und wo sie waren. Sie hatte die Typen einwandfrei zum Teufel geschickt. Ich hatte mich immer gefragt, warum sie so wütend wurde, wenn ich sie nach Opa fragte. Irgendwann hörte ich damit auf. Ich merkte, dass sie sich dadurch angegriffen fühlte. Sie erschien mir sogar gefährlich. Ich bekam da richtig Angst vor ihr. Ich haute für mehrere Stunden ab, damit sie wieder runterkam. Wenn ich heimkehrte, schlich ich mich ganz leise in die Stube. Ich lugte um die Ecke, um nachzusehen, ob sich Agnieszka inzwischen einigermaßen zivilisiert benahm. Fluchte sie immer noch, versteckte ich mich erneut im Garten. Ich legte mich in den Schatten unter einem Kirschbaum und las weiter in einem Buch. Ich wartete ab. Ich wusste, dass sich Agnieszka irgendwann beruhigen würde, spätestens dann, wenn sie Hunger kriegte. Das bedeutete für sie, dass auch ich Hunger haben musste. Weil sie meine Oma war und sie mir zu essen gab, bekam sie Mitleid mit mir und rief mich ins Haus. Ich lief schnell auf sie zu, drückte ihre Hand an meine Lippen und küsste sie fünfmal. Ich war total froh. Wir sprachen kein Wort mehr über irgendeinen Opa.
    Auf dem Tisch wartete auf mich bereits das dampfende Bauernfrühstück. Ich setzte mich hin und aß gierig. Oma goss mir Buttermilch in einen Becher ein. Sie stellte einen Suppenteller auf den Tisch, den sie ebenfalls mit Buttermilch füllte. Sie bröckelte altes Brot hinein. Sie nahm einen Löffel in die Hand. Sie schaufelte sich das aufgeweichte Brot in den Mund. Sie hatte nur einen einzigen Zahn. Sie musste die Nahrung immer vorher mantschen. Sie zermahlte das Essen mit dem zahnlosen Gebiss. Ihre Kauart fand ich unappetitlich. Ich mochte sie dabei gar nicht angucken. Ich warf nur ab und zu heimliche Blicke. Ihr Gesicht zerschlitzten ganz viele kleine Falten. Sie sah sehr alt aus. Ich versuchte, sie mir jung vorzustellen. Sie besaß überhaupt keine Fotos von sich, außer dem einem in ihrem Personalausweis. Sie wirkte verletzt. Offensichtlich trug sie irgendwelche Wunden in sich, die sie gerade schmerzten. In ihrem Inneren brodelte es. Sie verhielt sich entsprechend. Sie hatte ihre Kinder in den dreißiger Jahren gekriegt. Damals war es nicht normal und wurde von außen gar als schändlich angesehen, wenn eine Frau auf dem Lande Kinder von unterschiedlichen Vätern bekam und diese allein großzog. Agnieszka war ja keine Witwe, auch keine Adlige, keine Homosexuelle, keine Feministin, keine Intellektuelle. Sie wollte sich bloß von Männern nichts sagen lassen. Sie akzeptierte das Patriarchat nicht. Der Preis dafür war, dass sie für ihre Kinder selbst sorgen musste. Die verjagten Typen zahlten ihr doch

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