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Hausverbot

Hausverbot

Titel: Hausverbot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mariola Brillowska
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nicht mehr offiziell mit anderen Männern rumvögeln durfte. Ich hätte es auch nicht gebilligt, wenn James irgendwelche Frauen angebaggert hätte. Ich zog seine sexuelle Exklusivität vor, und die musste ich ihm ebenfalls bieten. Ich war gegen Hippies und Kommunen, in denen es jeder mit jedem vor den Augen der anderen trieb. Mir schwante es, dass ich meine Freiheit einschränken musste. Ich schien einen Konflikt mit mir selbst zu haben. Auf keinen Fall wollte ich abtreiben. Wahrscheinlich war meine Schwangerschaft dafür eh schon zu weit fortgeschritten. Nach meinen Berechnungen befand ich mich im vierten Monat. Es stand für mich außer Frage, dass ich das Kind kriegen musste. Weil ich an ihm all das wiedergutmachen wollte, was meine Eltern bei mir falsch angestellt hatten.
    Die hatten so was von keiner Ahnung gehabt. Sie hatten sich einen Dreck für mich interessiert. Seit ich mich erinnern konnte, mochte mich mein Vater nicht. Deswegen mochte auch ich ihn nicht. Liebe bekam ich von meiner Mutter. Mehr aber auch nicht. Sie konnte mich weder mental noch intellektuell unterstützen. Sie hatte die Schule bereits mit sechzehn abgebrochen. Da war sie erst in der sechsten Klasse gewesen. Sie litt beim Lesen und Schreiben unter Kopfschmerzen. Auf die Idee, zum Arzt zu gehen, kam sie nicht. Meine liebevolle Mutter stammte vom Lande und war offensichtlich dumm. Außerdem hatte sie ganz andere Sorgen. Sie musste schon ganz jung Geld verdienen, um zu überleben. Denn ihre Mutter hatte einfach gar nichts. Und einen Vater gab es nicht. Dann war die Schule noch in einem anderen Dorf, wohin sie fünfzehn Kilometer barfuß laufen musste. Sie besaß nur ein Paar Schuhe. Diese zog sie einzig am Sonntag an, damit sie nicht kaputtgingen. Die Leute hatten früher keinen Luxus wie heutzutage. Sie waren auch nicht so zimperlich. Meine Mutter fand in der Stadt einen Aushilfsjob im Zoo. Dort lernte sie meinen Vater kennen. Er schaffte es, sie alsbald zu schwängern, und ihr gelang es, ihn dann rasch zum Standesamt zu zerren. Ich kam auf die Welt. Keiner von den beiden hatte auch nur ansatzweise einen Plan, wie das miteinander laufen sollte. Mein Vater wohnte bei seinen Eltern, meine Mutter zur Untermiete mit einer Freundin in einem Neun-Quadratmeter-Zimmer. Die ersten sechs Monate gab sie mich auf dem Land bei einer Amme ab. Irgendwann stellten ihr die Eltern meines Vaters eine kleine, ungenutzte Speisekammer von sechs Quadratmetern in ihrer Dreizimmerwohnung zur Verfügung. Dort zog meine Mutter mit mir ein. Mein Vater übernachtete auch darin. Sein Kumpel und Nachbar Edek fuhr für einen Monat jobmäßig in eine andere Stadt. Er bot meinen Eltern an, sein sechzehn Quadratmeter großes Zimmer in der gegenüberliegenden Wohnung seiner Mutter Kalwasowa zu nutzen. Edek kam nie wieder zurück. Er erhängte sich in einem Hotelzimmer mittels Krawatte. Kalwasowa nahm meine Eltern als Untermieter auf. Dafür mussten sie die Stromkosten für die ganze Wohnung übernehmen, inklusive denen von Frau Hallmann, der Kalwasowa ebenfalls ein Zimmer untervermietete. Der Deal war wirklich ungerecht, aber immer noch besser, als in der engen Speisekammer zu hausen. Und für mich erwies sich Kalwasowa sogar als lebensrettend. Sie förderte mich mit den Büchern aus der Bezirksbibliothek und dem Taschengeld von der Pfandflaschenrückgabe. Ohne sie wäre ich wahrscheinlich nicht so weit vom Stamm gefallen. Man muss sich das mal vorstellen: Meine Eltern besaßen nur ein einziges Buch. Es beinhaltete Abbildungen elektrischer Schaltkreise. Langweiliger ging es nicht. Mein Vater guckte sich dieses Buch trotzdem ab und zu an. Meine Mutter wiederum trug die Bücher aus der Bezirksbibliothek in ihrer Handtasche durch die Gegend. Sie las sie nicht. Sie brauchte die Bücher, damit ihre sonst leere Tasche voller erschien. Ich hatte das trostlose System schnell gecheckt. Von meinen Eltern hatte ich nichts zu erwarten. Ich musste mich um mich selbst kümmern, mich selbst erziehen, mich selbst ernähren und mich selbst bilden, genauso wie die Waisenkinder in den Büchern.
    Ich entstammte einem familiären Kosmos, der keine rühmliche Vergangenheit hatte, keine Rituale besaß, ohne Historie verblieb. Meine Mutter war ein uneheliches Kind und kannte ihren Vater nicht. Auch der sieben Jahre ältere Halbbruder kannte seinen Vater nicht. Die Nachbarskinder stifteten mich oft an, ich solle Oma fragen, ob Opa im Krieg gefallen sei. Jedes Mal, wenn ich es tat, ging Oma Agnieszka

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