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Hausverbot

Hausverbot

Titel: Hausverbot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mariola Brillowska
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Beistelltische, Kristallkronleuchter und gebohnerter Parkettboden. Ich mochte die rot gestrichenen Wände. Darauf hingen in barocken Rahmen Zeichnungen von Horst Janssen, den ich verabscheute. Ich stellte mir die Freizeitvorlieben der Vorzimmerdamen vor. Die eine war blond, die andere brünett. Beide sahen nach Swingerclub aus. Dort gingen sie bestimmt mit ihren Chefs nach Feierabend hin. Die Blondine kam auf mich zu. Sie trug eine Tasse Kaffee mit geschäumter Milch in den Händen. Ihre viel zu hohen Pumps klackerten. Das nuttige Outfit tat meinem Sinn für Ästhetik weh. Bitte sehr, Frau Bzo… Ach, entschuldigen Sie, wie spricht man eigentlich Ihren Namen aus?, fragte sie. Sie stellte den Kaffee auf den Beistelltisch. Ich sah von Nahem ihr speckiges Make-up. Das gesamte Gesicht und Dekolleté bedeckte eine fette Schicht brauner Paste, auf die noch üppig Puder aufgetragen war. Brzozadrzewska, das bedeutet ungefähr Birkenbaumfrau. Nennen Sie mich einfach Lola, da können Sie nichts falsch machen, antwortete ich wie aus dem Maschinengewehr geschossen. Ich hatte diese Situation schon zu oft in Deutschland erlebt. Immer wenn ich mich mit meinem echten Namen vorstellte, musste ich den Leuten dessen Aussprache erklären. Ist Herr Paulsen überhaupt anwesend ?, wollte ich wissen. Doktor Paulsen hatte noch einen Gerichtstermin, der sich verzögert hat. Er wird aber jede Minute eintreffen …, rief die brünette Fregatte von der Empfangstheke in meine Richtung.
    Ich schlürfte den Kaffee und blätterte in den Zeitschriften. ›Der Spiegel‹ berichtete über die Hafenstraße. Geil. Endlich konnte jeder schwarz auf weiß nachlesen, was bisher geschehen war. Die Häuser in der Hafenstraße sollten abgerissen werden. Junge Menschen besetzten sie, um sie zu erhalten und um darin zu wohnen. Die städtische SAGA , die früher die Häuser verwaltete, mauerte den Hausbesetzern den Eingang zu. Daraufhin mauerten die Hausbesetzer den Eingang der SAGA zu. Herrlich. Ich lachte. Die Polizei wollte die Häuser mit Gewalt räumen. Die Hausbesetzer bauten Festungen und Barrikaden. Ich sympathisierte mit ihrem Ungehorsam. Sie ließen sich die Bevormundung durch den Staat nicht gefallen. Sie ließen keine Häuser unnötig abreißen und verteidigten ihr Recht auf Selbstbestimmung. Sie wollten sich nicht an anderen bereichern und auch keinen Mehrwert erzeugen. Sie wollten einfach den Kapitalismus nicht bedienen. Der Staat unterstellte ihnen permanente Kontakte zur RAF , die Jahre zuvor mit ihren radikalen Aktionen die deutsche Ordnung aufgemischt hatte.
    Rechtsanwalt Paulsen betrat die Kanzlei mit zerzaustem Haar. Er war ziemlich jung, ungefähr so alt wie James. Ich kapierte sofort. Er hatte bestimmt auch in den Achtundsechzigern an Studentenstreiks teilgenommen. Diese Generation hatte in Deutschland angefangen, sich gegen die Generation der Täter zu stemmen. Er führte den Prozess der Westwerkler nicht, um groß daran zu verdienen, sondern weil er sich politisch nach links orientierte. Vielleicht hatte er Schuldgefühle für die Täterväter und wollte mich verteidigen, weil ich aus Polen kam. Er hatte bestimmt noch nie einen polnischen Mandanten gehabt. In Hamburg gab es eher keine Polen, die kulturpolitische Anliegen hatten. Ich wunderte mich sowieso schon die ganze Zeit, warum ich bei ihm so einfach einen Termin bekommen hatte. Ich dachte eigentlich, dass den Neuen Wall nur Unmenschen besiedelten. Jedenfalls hatte ich auf dieser Straße noch nie jemanden getroffen, den ich persönlich kannte. Ich war ja auch nur deswegen immer zum Neuen Wall auf Klautour gegangen, weil ich da anonym blieb. Und den Gynäkologen hatte ich aus demselben Grund gewählt.
    Rechtsanwalt Paulsen klemmte sich an der Empfangstheke meine neu angelegte Akte unter den Arm, gab der blonden Schabracke einen Klaps auf den Poschi, während er die Brünette am Busen kniff. Ich wusste nicht, ob ich mir die Szene eingebildet hatte oder ob sie wirklich passiert war. In der Realität jedenfalls folgte ich Rechtsanwalt Paulsen in sein Kabinett. Die Ausstattung darin bestand aus lauter Glasschränken voller Brockhaus-Lexika und Justizliteratur sowie Geschichtsalben. Ich konzentrierte mich darauf, zwischen den Reihen ein Belletristikbuch zu entdecken. Vergebens. Aber auch nicht wichtig. Ich tat es nur, um mich abzulenken. Ich musste das unglaubliche Bild von vorhin vergessen. Es passierte mir immer wieder, dass ich sexuelle Anwandlungen im alltäglichen Verhalten der

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