Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hausverbot

Hausverbot

Titel: Hausverbot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mariola Brillowska
Vom Netzwerk:
keine Alimente. Vielleicht wussten sie nicht mal, dass sie Väter wurden. Oder sie poppte so viel durcheinander, dass sie nicht wusste, von wem sie überhaupt schwanger wurde. Es kann aber auch sein, dass sie sich von den Vätern ihrer Kinder distanzierte, weil sie keinen Bock hatte, die auch noch durchbringen zu müssen.
    Diese Spekulationen beschäftigten mich. Ich konnte Agnieszka nicht mehr befragen. Sie lag bereits seit sechs Jahren in ihrem Grab. Gina krabbelte unter meinem Schreibtisch rum. Wir waren um die Ecke ins Afrikahaus gezogen. James, der Meister im Anmieten abgewrackter Ateliers, machte im Hinterhof die dritte Etage klar. Ich ließ mich darauf nur deshalb ein, weil das Atelier drei Eingänge hatte. Ein Eingang für mich, ein Eingang für James und ein Eingang für Gina, wenn sie in die Pubertät kam. Die Miete war erstaunlich niedrig. Was der Haken an der Sache war, stellte sich ganz schnell heraus. Nachdem wir den Mietvertrag unterschrieben hatten, flatterte uns in den Briefkasten sofort die rechtsmäßige Kündigung rein. Die Auszugsfrist betrug sechs Monate. Es war ein mieser Trick des Maklers. Er vermietete uns die Räume nur deswegen so günstig, weil er vermutlich einen mehr zahlenden Interessenten für einen späteren Zeitpunkt hatte. Die Etage war sehr runtergekommen. James handelte drei Monate mietfrei fürs Renovieren aus. Wegen der sofortigen Kündigung befürchteten wir, dass uns der Makler auch noch als billige Sanierer angeheuert hatte. Diese Immobilienheinis trieben das doch dauernd so. Für wenig Geld oder gar umsonst überließen sie Künstlern leer stehende Gewerberäume oder Wohnungen, die modernisiert werden mussten. Die Künstler belebten, erhielten, restaurierten und werteten ganze Stadtteile auf. Plötzlich interessierten sich Galeristen und Werber für diese Viertel. Sie waren bereit, den höheren Mietpreis zu zahlen. Die Mieten stiegen drastisch an. Die Künstler konnten sich diese nicht mehr leisten. Die Gentrifizierung fand statt. Die Künstler zogen weg. Oder sie protestierten und prozessierten. Das hatte sogar sporadische Erfolge, wenn sie gemeinsam ein ganzes Haus bevölkerten. So erkämpfte eine Gruppe Hamburger Künstler das Bleiberecht zu günstigen Preisen, weil sie ihre Ateliers auch zu Wohnzwecken nutzten. Das Künstlerhaus Westwerk entstand. Dessen Ausstellungsraum wurde von der Kulturbehörde Hamburg subventioniert. Die Künstlerhäuser Weidenallee und Wendenstraße wurden gegründet. Auch dort versuchten die Immobilienbesitzer, die Portemonnaies der Künstler durch Mieterhöhungen auszuquetschen. Überall wurde gefightet. Die Autonomen besetzten die Hafenstraße. Der Schwarze Kanal rief zu Spendenaktionen auf. Die Punks verprügelten die Neonazis. Die Bullen schossen mit den Wasserwerfern. In dieser Stadt ging was ab. Ich war beeindruckt. Hamburg schien doch nicht so blasiert zu sein, wie ich es bisher mitbekommen hatte. Ich fühlte mich wie damals in Polen, als die Solidarność den Generalstreik von der Danziger Werft aus steuerte. Das wusste ich nicht aus den Zeitungen. Das hatte ich selbst erlebt. Ich hatte bereits Erfahrung. Ich hatte vor nichts Angst. Mit klarem Verstand erkannte ich das Manöver, mit dem wir im Afrikahaus gelinkt wurden. Ich sah mich inmitten kulturpolitischer Umwälzungen, die im Rechtsstaat Deutschland nichts zu suchen hatten. Ich ging zum gleichen Anwalt, der auch die Westwerkler vor Gericht vertreten hatte.
    Die Pfeffersäcke-Kanzlei der Rechtsanwälte Dr. Paulsen & Partner befand sich auf dem Neuen Wall. Die Straße kannte ich in- und auswendig. Die Läden hier gehörten zu den teuersten. Ich hatte sie alle schon geplündert bis zum Gehtnichtmehr. Das war aber Geschichte. Damit hatte ich längst aufgehört. Das Hausverbot im Alsterhaus hatte mir den Spaß endgültig verdorben. Seitdem hatte ich keine Lust mehr aufs Klauen. Auch die Praxis meines Gynäkologen weilte auf dem Neuen Wall. Mit Gina im Bauch war ich regelmäßig dorthin flaniert. Dabei betrachtete ich die an mir vorbeiziehenden Bürger immer unter einem bestimmten Aspekt. Ich fragte mich, wer von ihnen ein gewöhnlicher Kaufhausdetektiv und wer nur ein armseliger Mensch mit zu viel Geld war.
    Heute wartete ich in der Kanzlei auf Rechtsanwalt Paulsen. Ich betrachtete die vorbildliche Einrichtung im Kolonialstil: dunkle Mahagonitüren, glänzende Messingschilder, grüne Ledersofas und Sessel, geschnörkelte Edelholzschränke, edle Vitrinen, klassische Kommoden, antike

Weitere Kostenlose Bücher