Haut aus Seide
Augen strahlten, ihr dunkles Blau schien sich in Schwarz verwandelt zu haben. Er schluckte hart und öffnete die Arme. Sie umarmten sich eine lange Zeit – nackt und auf den Knien hockend.
»Ich möchte dir auch ein Zuhause sein«, erwiderte er, während ihre Tränen sich über seine Brust ergossen.
»Verdammt! Sieh nur, wie spät es schon ist«, fluchte er einen Moment später. Er fasste Lela bei den Schultern und hielt sie ein Stück von sich weg. »Ich muss los. Aber wir reden, wenn ich wieder da bin.«
Er wirkte so ernst, dass ihr Herz einen kleinen Satz machte. Lela wagte kaum darüber nachzudenken, worüber er sich wohl mit ihr unterhalten wollte. Sie verwehrte sich jede übertriebene Hoffnung, ja, wollte nicht mal zugeben, was sie sich im Stillen erhoffte. Stattdessen half sie ihrem Geliebten, seine verstreuten Sachen zusammenzusuchen, sich anzuziehen und die Krawatte zu richten. Obwohl sie sich gegen jedes Wunschdenken innerlich zur Wehr setzte, genoss sie das Gefühl von Intimität, das ihr diese einfachen Handgriffe verschafften.
Bei der Eingangstür hielten sie ein letztes Mal inne. Simon strich ihr Haar mit seinen großen, zarten Händen glatt. »Denk dran, was ich dir gesagt habe«, erinnerte er sie.
Lela nickte, obwohl sie nicht ganz sicher war, was genau er damit meinte. Ganz plötzlich wollte sie auf keinen
Fall, dass er sie schon verließ. Ihre Hände ruhten locker auf seinem Revers, doch am liebsten hätte sie ihn fest gepackt und mit aller Macht bei sich behalten. Es fühlte sich fast so an, als zöge er in den Krieg.
»Ich liebe dich«, sagte er und betrachtete ihr Gesicht, als wolle er sich ihr Bild genau einprägen. »Vergiss das nicht.«
»Ich liebe dich auch«, erwiderte sie scheu.
Das strahlende Lächeln auf seinem Gesicht wischte all ihre Ängste mit einem Mal beiseite.
Bea schluchzte so stark, dass Lela sie kaum verstand. Zwar hatte sie ihre Freundin schon öfter weinen hören, aber noch nie in dieser Intensität.
»Jetzt mal schön der Reihe nach«, sagte sie und umklammerte unbewusst den Telefonhörer. »Was ist passiert?«
»Phi-Philip«, brachte Bea stotternd hervor, bevor sie erneut zu weinen begann.
»Stimmt was nicht mit ihm?«, fragte Lela. Wenn er eine andere hatte, würde sie den attraktiven Mistkerl glatt erwürgen, dachte sie bei sich.
»Ihm geht’s gut. Na ja, halbwegs. Aber die Firma …« Bea hickste kurz, riss sich dann aber zusammen. »Wir wurden zusammen in Rom gesehen. Und zwar von einer von Mutters Freundinnen. Wir haben, na ja, wir haben was miteinander. Und jetzt hat sie alle möglichen Gerüchte verbreitet, die alle nicht stimmen. Philip hat fantastische Arbeit bei Meilleurs Amis geleistet. Aber plötzlich versucht dieser Typ, die Firma aufzukaufen!« Ihre Frustration machte sich in einem wütenden Brummen breit. »Am liebsten würde ich ihm die Dias in den Hals schieben.«
»Welche Dias?!«, fragte Lela, innerlich immer noch dabei, die Tatsache zu verarbeiten, dass zwischen Philip und Bea offensichtlich etwas lief.
»Die Dias von meinen Bildern. Es ist derselbe Mann, der aus Amerika anrief und meine Arbeiten kaufen wollte. Andrews Chef! Der muss das die ganze Zeit geplant haben. Schon bevor er mit mir geschlafen hat.«
Lela kriegte ganz weiche Knie und musste sich auf die Armlehne ihres gebrauchten Sofas setzen. Sie starrte auf die Kassette, die auf ihrem Videorekorder lag. Sie hatten sie letztes Wochenende ausgeliehen, und die Frist war abgelaufen. Lela presste ihre Handfläche auf die Stirn.
»Du meinst, Simon Graves versucht, Meilleurs Amis aufzukaufen?«
»Ja, genau. Simon Graves. Dieser Connard . Alles Schweine. Besonders die Bankiers. Wir hatten ein kleines Liquiditätsproblem, das war alles. Es wäre ein Leichtes gewesen, da wieder rauszukommen. Wir hätten jede Menge Geld machen können. Sogar mehr als vorher. Die Zahlen der Peking-Filiale wurden gerade besser. Verdammt, Lela, das ist nicht fair. Philip hat so hart gearbeitet. Und jetzt wird er alles verlieren, nur weil er sich in mich verliebt hat.«
Lela rutschte von der Lehne auf das Sitzkissen des Sofas. Trotz der sommerlichen Wärme zitterte sie. Sie musste an all die »Hilfe« denken, die Simon ihr hatte zuteilwerden lassen. An den Abend, als sie mit ihrem Laptop im Bett gesessen und ihm das Jahresbudget von Meilleurs Amis gezeigt hatte. Zeile für Zeile hatte er ihr das Ganze erklärt. Und zwar mit einer Engelsgeduld. Kein Wunder. Er hatte die Übernahme offensichtlich die
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